Wolf unter Wölfen
ist. Das denkt man sich alles ganz anders.«
»Mach bloß keine Redensarten, Hartigen!« rief Amanda drohend. »Mich kannst du nicht auf die süße Tour kriegen.«
»Wenn man erst seinen Festen hat«, erklärte die Hartigen bereitwillig, »denkt man, es ist vorbei. Aber dann wird einem doch wieder so komisch …«
»Wie komisch –? Quatsch bloß keinen Rhabarber!«
»Gott, Mandchen, das tu ich doch auch nicht! Das kennst du doch auch, wenn einem so komisch wird, und man hat ein Kribbeln über den ganzen Leib, und bei nichts hat man Ruhe, und alles soll immer schnell gehen, als könnte man es nicht abwarten – und plötzlich hat man dagestanden, eine geschlagene Viertelstunde, den Eimer mit Schweinekartoffeln in der Hand, und weiß von nichts was …«
»Ich habe nichts mit Schweinekartoffeln zu tun!« sagte Amanda Backs abweisend. Aber sie war eigentlich gar nicht mehr so abweisend, sie war eher nachdenklich.
»Nein, natürlich nicht!« sagte die Hartig eilig. Und siesetzte hinzu, weil sie es jetzt wohl wagen konnte: »Bei dir sind es dann die Hühnerkartoffeln …«
Aber die Geflügelmamsell spürte diese Bosheit gar nicht. »Dafür hast du dann deinen Mann«, sagte sie mit neu erwachter Strenge, »wenn dir so komisch wird. Da darfst du unsereiner nicht mehr ins Gehege kommen!«
»Aber, Mandchen, das ist es ja gerade, was man vorher nicht weiß!« rief die Hartig ganz eifrig aus.
»Was weiß man vorher nicht?«
»Daß der eigene Mann dagegen gar nichts hilft! Hätt ich das als junges Mädchen gewußt, was ich heute weiß, ich hätt nie geheiratet, das darfst du mir glauben!«
»Ist das wirklich so, Hartigen?« fragte Amanda Backs tief nachdenklich. »Magst du denn deinen Mann gar nicht leiden?«
»Gott, ja, natürlich: ganz nett ist er ja soweit. Und ganz ordentlich auch. Aber sooo doch nicht. Schon lange nicht mehr.«
»Da magst du also Hänse – den Inspektor Meier lieber –?«
»Gott, Mandchen, was du auch alles denkst! Ich hab dir schon gesagt, ich nehm ihn dir nicht weg!«
Amandas Stimme klang sehr böse: »Da hat er also angefangen, ich meine, der Meier?«
Die Hartig schwieg eine Weile und bedachte sich. Aber sie entschied sich doch für die Wahrheit. »Nee, Mandchen, ich will dir nichts vorkohlen. Ich hab zuerst gewollt – und so was spürt ein Mann doch. Und dann war er ja auch ein bißchen dun …«
»So, dun war er auch noch! Aber ich versteh noch immer Bahnhof – wenn du ihn gar nicht magst?«
»Ja, weißt du, Mandchen, ich weiß doch auch nicht, aber wenn es einen dann so kribbelt, und neugierig ist man doch auch …«
»Du sollst aber nicht –!« Amanda holte zu einer gewaltigen abschließenden Strafpredigt aus, die allerdings wesentlich milder ausgefallen wäre, als sie sich vorgenommen hatte. Denn am Ende verstand sie die Hartigen ganz gut …
Aber Amanda brach ab.
Über den Hof kamen hintereinander gegangen drei Gestalten: erst ein Mann, dann eine Frau, dann noch ein Mann …
Ganz still und sachte gingen die im Dunkeln über den Hof, ohne ein Wort – und Amanda Backs und Frau Hartig, die starrten.
Als der vorderste Mann bei den Frauen angelangt war, blieb er unwillkürlich stehen und fragte mit scharfer, befehlender Stimme: »Wer steht denn da –?!«
Zugleich wurden die beiden Frauen von einer elektrischen Taschenlampe, die die Frau in der Mitte hielt, angeleuchtet. (Denn der Mond war noch nicht hoch, die Stallgebäude fingen sein Licht noch ab.)
»Ich, Amanda«, sagte Amanda Backs ruhig, während die Kutscherfrau unwillkürlich die Hände vors Gesicht hielt, als sei sie bei etwas Verbotenem ertappt.
»Macht man zu, daß ihr ins Bett kommt!« sagte der Mann vorne wieder, und lautlos und sachte gingen die drei an den beiden Frauen vorüber – über den Hof, um die Ecke des Inspektorenhauses herum – und die Hartig konnte sehen, daß dort, während ihres Disputes, das Licht wieder erloschen war.
»Wer war denn das?!« fragte die Kutscherfrau ganz verblüfft.
»Ich glaub, das war das gnädige Fräulein«, sagte Amanda nachdenklich.
»Das gnädige Fräulein, mitten in der Nacht, und mit zwei Männern!« rief die Hartig. »Das glaub ich nie und nimmer im Leben!«
»Der hinten kann der Diener gewesen sein«, überlegte Amanda weiter. »Den vorne kenn ich nicht. Der ist nicht von hier – die Stimme habe ich noch nicht gehört!«
»Komisch …«, sagte die Hartig.
»Komisch …«, sagte die Backs.
»Was geht es den denn an, daß wir hier stehen?« fragte Amanda
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