Wolf unter Wölfen
laut. »Ist gar nicht von hier und schickt uns ins Bett!«
»Eben!« echote die Hartig. »Und das gnädige Fräulein läßt ihn ruhig kommandieren …«
»Wo die bloß hingegangen sind?« fragte Amanda und starrte gegen das Hofende.
»Ins Schloß?« schlug die Hartig vor.
»I wo! Wieso denn hintenrum? Das gnädige Fräulein braucht doch nicht hintenrum ins Schloß!« sagte Amanda abweisend.
»Dann ist da nur noch das Inspektorhaus …«, sagte die Hartig probierend.
»Das hab ich eben auch gedacht«, gab Amanda offen zu. »Aber was wollen sie da, so komisch, dreie hintereinander, und so sachte – als dürfte sie keiner sehen …«
»Ja, komisch war es«, gab die Hartig zu. Und schlug vor: »Wenn wir mal nachsähen –?«
»Du gehst jetzt endlich zu deinem Mann!« sagte Amanda Backs streng. »Wenn eine beim Inspektorhaus nachsieht, bin ich es.«
»Aber ich wüßte doch so gerne, Mandchen …«
»Du sollst doch Fräulein Backs sagen. Was willst du denn überhaupt deinem Mann erzählen, wo du so lange gewesen bist? Und deine Kinder …«
»Och …«, machte die Hartigen gleichgültig.
»Und überhaupt, du läßt jetzt meinen Hans in Frieden! Noch mal geht es nicht so gut ab! Wenn ich dich noch einmal erwische …«
»Bestimmt nicht, Mandchen, das schwör ich dir! Aber du erzählst mir auch morgen …«
»Gute Nacht!« sagte Amanda Backs kurz und ging auf das dunkle Inspektorenhaus zu.
Die Kutscherfrau stand noch einen Augenblick und sah ihr neidisch nach. Sie bedachte, wie gut es solch junge unverheiratete Mädchen hatten und wie sie es gar nicht wußten. Dann seufzte sie leise und ging ihrem Heim entgegen, zu dem Kindergewusel und dem bestimmt schimpfenden Manne.
2
Nach der Erschütterung in der Abendandacht hatte Frau von Teschow ein tiefes Ruhebedürfnis empfunden. Sie wollte nichts mehr sehen und hören, schnell wollte sie ins Bett.
Auf der einen Seite von ihrer Freundin, Fräulein Jutta von Kuckhoff, auf der andern vom Diener Elias geleitet, war sie hinauf in das große, dreifenstrige Mahagonischlafzimmer gewankt. Fräulein von Kuckhoff hatte die Zitternde, Schluchzende ausgezogen, und nun lag sie in dem breiten Mahagonibett, klein anzusehen wie ein Kind, mit dem trocken gewordenen winzigen Vogelkopf, ein weißes Betthäubchen über den dünnen Haaren, eine weitmaschig gestrickte Bettjacke um die Schultern gelegt.
Sie jammerte: »O mein Herr und mein Gott – Jutta, was für eine Welt! Gott verzeihe es mir, daß ich richte – aber was für eine schamlose Jugend! Ach, was wird Lehnich sagen –?! Und erst Superintendent Kolterjan?!«
»Jedes Ding ist zu etwas gut, Belinde«, sagte Jutta weise. »Rege dich bloß nicht noch mehr auf! – Frierst du immer noch so?«
Ja, Frau von Teschow fror noch immer.
Fräulein von Kuckhoff klingelte nach dem Diener Elias. Er bekam den Auftrag, zwei Wärmflaschen aus der Küche zu besorgen.
Der Diener wollte gehen.
»Ach, Elias!«
»Bitte, gnädige Frau?«
»Sagen Sie doch der Mamsell, sie soll mir noch eine Tasse Pfefferminztee aufbrühen. Ja – und recht stark. Und mit viel Zucker. Ja – ach Gott!«
»Jawohl, gnädige Frau.«
Der Diener wollte gehen.
»Ach, Elias!«
»Bitte, gnädige Frau?«
»Sie soll mir doch lieber einen Glühwein machen, keinenPfefferminztee. Pfefferminztee stößt immer so auf! Aber ohne Wasser, nur Rotwein. Rotwein enthält schon sehr viel Wasser. Ach Gott – und ein bißchen Muskat. Und
eine
Nelke. Und sehr viel Zucker. Nicht wahr, Elias, Sie besorgen mir das richtig?«
»Jawohl, gnädige Frau.«
»Und – ach – Elias, einen Augenblick noch! Sie soll einen kleinen Schuß Rum hineintun – mir ist wirklich sehr schlecht –, nicht viel. Aber man muß ihn natürlich schmecken, nicht so ganz wenig. Elias, Sie verstehen –?«
Der Diener Elias, bald siebzig, mit dem glatten Kopf, versteht. Er wartet noch einen Augenblick und will gehen, als ihn der schwache Ruf der Kranken unter der Tür noch einmal erreicht: »Ach, Elias!«
»Bitte, gnädige Frau –?«
»Ach, Elias, bitte, kommen Sie doch einmal näher … Sie können sich einmal in der Küche erkundigen … aber nicht so, als ob es von mir ausgeht, so ganz nebenbei …«
Der Diener Elias wartet stumm. Der gnädigen Frau muß grade wieder sehr schlecht sein, sie kann kaum reden. Sicher wäre es gut, wenn sie ihren Glühwein rasch bekäme, aber er kann ihn noch nicht bestellen, Frau von Teschow hat noch etwas auf dem Herzen.
»Elias – fragen Sie doch einmal –
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