Wolf unter Wölfen
aber unauffällig! –, ob sie – Sie wissen schon! – ins Bett gegangen ist. Ja, fragen Sie einmal, aber unauffällig …«
Eine Weile noch geht es der Kranken sehr schlecht, und Fräulein von Kuckhoff hat viel zu tun mit guten Sprüchen, weisem Zureden, die kalten Hände zwischen den ihren wärmen, die schmerzende Stirn streicheln. Aber dann kommen die Wärmflaschen, es kommt der Glühwein, der kräftig nach Rum duftet: schon der Geruch belebt Frau von Teschow. Im Bett sitzend, mit streng zusammengekniffenen Lippen, hört sie die Botschaft, daß »sie« ausgegangen ist.
»Es ist gut, Elias. Ich bin sehr traurig. Recht gute Nacht, Elias.
Ich
werde wohl kaum schlafen können.«
Elias macht zu diesem Abschiedsgruß ein angemessen betrübtes Gesicht, wünscht ebenfalls eine gute Nacht und setzt sich dann ins Vorzimmer. Er muß noch auf den Geheimrat warten, um ihm die Stiefel auszuziehen. Dann ist sein Dienst zu Ende.
Aber das Warten wird dem alten Elias nicht zu lang, er hat seine Beschäftigung. Aus der Tasche zieht er eine dicke, ehemals braune, nun schon fast schwarze Brieftasche und eine lange Liste mit vielen Nummern, Namen, Wörtern. Aus der Brieftasche kommt ein Paket mit braunen Banknoten, die Liste wird aufgeschlagen, und nun wird verglichen, angestrichen, geschrieben.
Die alte gnädige Frau hat heute einen schlechten Abend, aber der Diener Elias hat einen guten: es ist ihm heute gelungen, fünf neue alte braune rotgestempelte Tausendmarkscheine aus der Friedenszeit aufzukaufen.
Wie viele deutsche, namentlich ältere Menschen, die die höllischen Wunder der Inflation erleben, weigert sich auch Elias, an eine allgemeine Entwertung zu glauben. Irgend etwas muß einem Menschen verbleiben, der über fünfzig Jahre emsig gespart hat; unmöglich ist es, daß der Strudel
alles
verschlingt.
Eine einfache Überlegung sagt, daß »richtiges Geld« aus der Zeit vor dem Kriege auch »richtig« geblieben sein muß. Dies beweist schon der Satz auf den Scheinen, daß sie gegen Gold von der Reichsbank eingelöst werden. Und Gold ist immer noch richtig. Unrichtig ist natürlich Geld, das im Kriege oder gar nach dem Kriege ausgegeben wurde. Im Kriege ging ja der Betrug schon los mit den Leinenhemden aus Papier und den Lederschuhen aus Pappe.
Als der alte Elias die ersten Anzeichen der Inflation spürte, fing er an, Tausendmarkscheine aufzukaufen. Es gab immer Leute, die Geld brauchten: er bekam welche. Es gab immer Leute, die nicht so gut nachdenken konnten wie der alte Elias. Jawohl, Elias hatte gehört, die Reichsbank in Berlin gab kein Gold mehr für diese Tausendmarkscheine. Aber das war natürlich nur Bluff, auf die Dummen berechnet. DieReichsbank wollte ihre eigenen Scheine billig bekommen – um das knappe Gold zu sparen. Elias aber war nicht dumm, er gab der Reichsbank seine Scheine nicht billig. Er wartete ab, er konnte es abwarten – eines Tages bekam er dann doch Gold dafür, ganz, wie es deutlich aufgedruckt war.
So fing es an bei dem Elias – zu Anfang war es eine Kapitalanlage. Aber dann kam hinzu, daß dies auch seine Wissenschaft hatte – der alte Elias entdeckte auf seine alten Tage die Wonnen des Sammlers (ohne es zu wissen).
Es gab so viele verschiedene braune Tausendmarkscheine! Zwar, das eine lernte man gleich: nur die mit dem roten Stempel taugten etwas. Die mit dem grünen stammten alle aus der Kriegs- und Nachkriegszeit – die durfte man nicht sammeln! Aber da gab es nun Scheine mit einem roten Stempel und welche, die trugen zwei rote Stempel! Es gab Banknoten, die trugen keinen Faserstreifen, und dann kamen Scheine mit einem blauen Faserstreifen links und Scheine mit einem blauen Faserstreifen rechts! Es gab Scheine mit acht Unterschriften, aber auch welche mit neun, und manche waren sogar von zehn Männern unterschrieben! Dann gab es Scheine mit den Buchstaben A, B, C, D und welche mit siebenstelligen und welche mit achtstelligen Ziffern. Es war immer genau derselbe braune Tausendmarkschein, an Bild und Schrift änderte sich nichts – aber welche verwirrende Menge von Unterschieden!
Der alte Diener Elias schreibt an und vergleicht, er sammelt schon längst nicht mehr nur braune Tausendmarkscheine, er sammelt Unterschiede, Kennzeichen, Merkmale. Sein großer, runder, glatter Kopf wird ganz rot dabei. Er strahlt, wenn er eine neue Spielart findet, die er noch nicht hat! Er ist fest davon überzeugt, daß diese Unterschiede geheime Merkmale sind, von Kennern für Kenner gemacht. Sie
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