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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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geht es uns an, was sie nachts macht?«
    »Aber das Haus soll rein sein, Horst-Heinz!«
    »Sie geht doch zu ihm ins Beamtenhaus, er nicht zu ihr hier in den Katen!«
    »Horst-Heinz!«
    »Na, was denn noch, Belinde? Es stimmt doch!«
    »Du weißt ganz gut, was ich meine, Horst-Heinz! Sie ist so unverschämt!«
    »Das ist sie«, gab der Geheimrat gähnend zu. »Aber das ist eigentlich immer so. Die tüchtigsten Leute lassen sich auch am wenigsten sagen. Den kleinen Kerl, den Meier, ihren Freund, den kannst du stundenlang in den Hintern treten, der wird nur immer höflicher …«
    Bei ihrem Mann hörte Frau von Teschow ein grobes Wort meistens gar nicht, so überhörte sie auch den Hintern.
    »So sag Joachim, daß er den Kerl rausschmeißt. Dann kann ich die Backs behalten.«
    »Wenn ich meinem Herrn Schwiegersohn sage, er soll seinen Beamten rausschmeißen«, sprach der alte Herr nachdenklich, »so behält er ihn bestimmt bis an sein Lebensende. – Aber tröste dich, Belinde, ich glaube, Amandas Freund fliegt morgen … Und tut er’s nicht, werde ich ihn ein bißchen loben – dann muß er noch dieselbe Stunde die Koffer packen!«
    »Das tu, Horst-Heinz!«

3
    Der Mensch ist nicht ganz frei von der Eigenschaft, seine Fehler andern Geschöpfen anzudichten: An der Geschichte vom Vogel Strauß, der aus Furcht den Kopf in den Sand steckt, soll kein wahres Wort sein; dafür ist es bestimmt wahr, daß mancher Mensch vor der nahenden Gefahr die Augen schließt und dann behauptet, sie sei nicht da.
    Inspektor Meier hatte nach dem Abgang von Frau Hartig nur darum Licht gemacht, weil er sich etwas zu trinken suchen wollte. Der ganz verdunte Schädel, der Reinfall beim alten Geheimrat (auf dessen Wohlwollen er immer gerechnet hatte), die nahende Rächerin Amanda – all dies rief bei ihm nichts anderes wach als den Wunsch nach Trinken. Er wollte »eben an den ganzen Dreck nicht mehr denken«.
    Nachdem er die Fenster gegen einen Überfall Amandas gesichert hatte, stand er einen Augenblick still in seinem recht wüst aussehenden Zimmer mit dem auseinandergewühlten Bett und den herumgestreuten Kleidungsstücken.Ebenso wüst sah es in seinem Schädel aus, dazu stach ein scharfer Schmerz von innen gegen die Stirn. Gedankenfetzen lösten sich aus dem Dunkel und waren vergangen, ehe er sie noch hatte erkennen können. Er wußte, er hatte nicht eigentlich etwas zu trinken auf der Bude, keinen Kognak, keinen Korn, keine Flasche Bier – aber wenn einem so war, wie ihm jetzt war, gab es immer etwas zu trinken, es mußte einem nur einfallen.
    Er runzelte die Stirn von der Anstrengung des Denkens, aber ihm fiel nur ein, daß er noch einmal in den Gasthof gehen und sich eine Flasche Schnaps holen könnte. Er bewegte unmutig den Kopf. Das hatte er sich doch schon längst überlegt, daß er sich dort wegen der drohenden Rechnung nicht sehen lassen wollte. Außerdem hatte er nichts an – schon das alte, schlaue Aas, der Geheimrat, hatte das gemerkt. Die andern würden es auch merken, wenn er so zum Gasthof ging!
    Er sah an sich herunter, er fing trübselig zu lächeln an. Ein schöner Dreck, so ein Kerl! Ein Leib für die Feuerzange!
    »Die Scham liegt nicht im Hemde« – sagte er laut einen Satz, den er mal gehört und den er behalten hatte, weil er ihm jede Schamlosigkeit zu rechtfertigen schien.
    Also aber – jetzt mußte er sein Hemd suchen, und er fing an, mit den Füßen die Kleider auf der Erde hin und her zu stoßen, in der Hoffnung, das Hemd würde zum Vorschein kommen. Aber es kam nicht hervor, statt dessen stieß er sich in die Sohle einen Splitter ein.
    »Schweinerei, elende«, schimpfte er laut, und bei der Schweinerei fielen ihm die Schweine ein, bei den Schweinen aber die Viehapotheke auf dem Büro. Bei der Viehapotheke dachte er zuerst an Hoffmannstropfen. Aber die waren zuwenig, um sie mit Wirkung zu trinken, außerdem waren wahrscheinlich keine in der Apotheke!
    Hoffmannstropfen – seit wann gab man denn den Schweinen Hoffmannstropfen –?!! Auf einem Stück Zucker, was?! Er mußte lachen bei dieser blöden Idee, sie war ja zu blöde, diese Idee!
    Er drehte sich scharf um, Mißtrauen und Furcht im Gesicht. Hatte da jemand gelacht über ihn im Zimmer?! Es klang genauso, als hätte hier jemand über ihn gelacht! War er überhaupt allein? War die Kutschersche schon weggegangen? War die Amanda schon gekommen, oder kam sie erst? Er sah sich langsam, stieläugig um – der Weg zwischen Sehen und Erkennen war so mühsam. Lange

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