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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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mußte er auf einen Gegenstand schauen, bis das Hirn meldete: Schrank! Oder: Gardine! – Bett, keiner drin! Später: Auch keiner drunter!
    Mühsam, langsam kam er auf das Ergebnis: es war wirklich keiner im Zimmer. Wie aber war es mit dem Büro? War da jemand drin und sah ihm zu? Die Tür zum Büro stand auf, der dunkle Raum nebenan war, als liege jemand auf der Lauer … War die Außentür zum Büro überhaupt verschlossen? Die Gardinen zugezogen? O Gott, o Gott, so viel zu tun, so viel zu erledigen, sein Hemd hatte er auch noch immer nicht gefunden! Kam er denn nie ins Bett –?
    Mit hastigen, torkelnden Schritten, nackt, ging Negermeier auf das Büro und rüttelte an der Außentür. Die Tür war zu, hatte er doch gewußt, auch die Gardinen waren zu. Wer erzählte solchen Quatsch?! Er schaltete das Licht ein und sah die Gardinen feindlich an – natürlich waren sie zu – alles öder Schmus, nur gemacht, ihn reinzulegen. Die Gardinen waren zu, und sie blieben zu – ihm sollte mal einer kommen und seine Gardinen anrühren! Seine Gardinen waren es,
seine
! Er konnte damit tun, was er wollte – wenn er sie jetzt runterriß, war es allein seine Sache!
    In höchster Erregung machte er ein paar Schritte auf die unseligen Gardinen zu – und die Viehapotheke, ein braungestrichenes, fichtenes Schränkchen, geriet in sein Blickfeld.
    Hallo! Da bist du ja! Na endlich! Negermeier grinste zufrieden. Der Schlüssel steckte, das Türchen hatte parieren gelernt und ging auf den ersten Druck auf, und da haben wir ja, in zwei vollgestopften Fächern, den ganzen Salat. Ganz vornean steht eine große bräunliche Flasche, es steht auch was auf dem aufgeklebten Zettel – aber wer will solcheApothekerklaue lesen? Na, die ist gedruckt, aber das ist derselbe Dreck!
    Negermeier nimmt die Flasche heraus, zieht den Stopfen und riecht in den Flaschenhals.
    Er tut es gleich noch einmal. Hoch hinauf in die Nase zieht er den Ätherdampf, und so steht er da, während sein Leib leise zu zittern anfängt. Eine überirdische Klarheit dringt in sein Hirn, Erkenntnis und Einsicht, wie er sie nie gefühlt, erfüllen ihn – er atmet ein und atmet ein – das ist Seligkeit!
    Sein Gesicht wird dabei immer schärfer, die Nase spitzer. Tiefe Falten furchen die Haut. Der Körper fängt an zu zittern. Aber er flüstert: »Oh, ich verstehe alles! Alles! Die Welt … Klarheit … das Glück … blau …«
    Die Ätherflasche entfällt seinen zitternden Händen, hart schlägt sie auf den Boden und zerbricht. Er starrt darauf, noch berauscht. Dann geht er rasch zum Schalter, löscht das Licht im Büro, tritt in sein Zimmer, löscht wiederum das Licht, tastet sich auf sein Bett und wirft sich hin.
    Er liegt bewegungslos, mit geschlossenen Augen, völlig dem Anblick der lichten Figuren hingegeben, die sich in seinem Hirn bewegen. Die Gestalten werden blasser, grauer Nebel weht über sie hin. Von den Rändern des Hirns zieht Schwärze herbei, es wird dunkler und dunkler – plötzlich ist alles schwarz: Negermeier schläft.

4
    »Sie müssen doch wissen, wer den Schlüssel zum Hause hat«, schilt der Leutnant ärgerlich.
    Die drei stehen vor dem dunklen Beamtenhaus, der Diener Räder hat auf die Klinke gedrückt, aber die Haustür ist verschlossen.
    »Den Schlüssel hat natürlich der Herr Meier«, sagt der Diener.
    »Es muß doch noch einen Schlüssel geben«, beharrt der Leutnant. »Gnädiges Fräulein, wissen Sie nicht, wer einen zweiten Schlüssel hat?«
    Obwohl die Situation ganz eindeutig ist, bleibt der Leutnant dabei, Violet mit »gnädiges Fräulein« anzureden.
    »Den zweiten Schlüssel wird Papa haben«, sagt Weio.
    »Und wo hat Ihr Herr Vater die Schlüssel?«
    »In Berlin!« Auf eine ärgerliche Gebärde: »Papa ist doch in Berlin, Fritz!«
    »Er wird den Schlüssel zu dieser Bude doch nicht mit nach Berlin geschleppt haben! – Und ich
muß
in die Versammlung!«
    »Wenn wir nachher gingen –!«
    »Und unterdes rennt er mit dem Briefe weiter! – Ist er überhaupt drinnen?«
    »Ich weiß doch nicht!« sagt der Diener Hubert gekränkt. »Ich habe mit Herrn Meier nichts zu tun, Herr Leutnant!«
    Der Leutnant vergeht vor Ungeduld, Ärger, Wut. Immer diese verfluchten Weibergeschichten, die dazwischenkommen. Er kann bei dieser Sache Weiber absolut nicht brauchen! Und wie hilflos steht jetzt diese Weio dabei! Keine Spur anders als dieser saublöde Diener! Alles soll er allein machen! Was wird sie jetzt wieder fragen –?
    Sie sagt: »Oben steht ein

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