Wolf unter Wölfen
seinen Arm, aber nur lose, als hätte sie vergessen, daß sie ihn hielt. Er räusperte sich. »Peter …«, fing er an.
Da ging die Flurtür, und das Schlurren der Thumannschen wurde hörbar.
»Schnell, Wolf, mach die Tür zu!« sagte Petra eilig. »Frau Thumann kommt, wir können sie jetzt nicht brauchen.«
Sie hatte ihn losgelassen. Er ging gegen den Flur, aber ehe er noch die Zimmertür gefaßt hatte, kam die Vermieterin schon in Sicht.
»Warten Se noch imma?« fragte sie. »Ick hab doch schon jesacht: Kaffe is nich ohne Jeld.«
Hören Sie, Frau Thumann«, sagte Wolfgang eilig. »Ich will gar keinen Kaffee. Ich gehe jetzt sofort mit unsern Sachen zum Onkel. Und unterdes geben Sie der Petra Schrippen und Kaffee, sie ist ja halb verhungert.«
Kein Laut in seinem Rücken.
»Und mit dem Gelde komme ich dann auf der Stelle zu Ihnen und bezahle alles, behalte nur so viel für mich, daß ich in den Grunewald fahren kann. Da habe ich einen Freund, vom Militär her, Zecke heißt er, von Zecke, der pumpt mir sicher was …«
Er wagte jetzt einen Blick ins Zimmer. Geräuschlos hatte sich Petra aufs Bett gesetzt, saß dort mit gesenktem Kopf, er sah ihr Gesicht nicht.
»So?!« antwortete die Thumann, halb fragend, halb drohend. »An det Frühstück for det Mächen soll es nich fehlen – heute nich un morgen ooch noch nich – aba wie is es denn mit de Trauung –?« Sie stand da, in fließendem Gewande, mit zerfließenden Formen, den Pott in der hängenden Hand – und wie sie so dastand, konnte sie nun freilich einem jeden die Lust an aller Trauung und Bürgerlichkeit für ein langes Leben austreiben.
»Oh!« sagte Wolfgang leichthin und war im Augenblick wieder obenauf. »Wenn es mit dem Frühstück für Peter in Ordnung ist, ist es auch mit der Trauung in Ordnung.«
Er sah rasch nach dem Mädchen, aber Peter saß noch wie vorher. »In der Pfandleihe werden Se anstehen müssen, und Jrunewald is weit«, sagte die Thumannsche. »Ick hör imma Trauung, aber ick trau nich!«
»Doch, doch!« sagte Petra plötzlich und stand auf. »Sie dürfen schon trauen, Frau Thumann, wegen des Geldes und wegen der Trauung, beides. – Komm, Wolf, ich helfe dir die Sachen einpacken. Wir nehmen wieder den Handkoffer, dann braucht er nur einen Blick hineinzutun und sieht, es ist alles wieder beisammen. Er kennt es ja nun schon.« Und sie lächelte ihm zu.
Frau Thumann wandte den Kopf beobachtend von einem zum andern, langsam, wie ein alter, weiser Vogel. Wolfgang rief unendlich erleichtert: »Ach, Peter, du bist doch immer die Allerbeste, und vielleicht schaffe ich es wirklich noch bis halb eins. Wenn ich Zecke nur treffe, pumpt er mir sicher genug, daß ich mir ein Auto nehmen kann …«
»Jewiß doch!« sagte statt Petra die Thumannsche. »Und denn raus mit det Mächen aus de Betten und rin mit ihr aufs Standesamt, wie sie jeht und steht, mit ’em Herrenpaletot, ohne alles drunter. Wir sind ja janz jroß!!!« Sie funkelte giftig. »Wenn ick so wat bloß höre! Und det Schlimme is, die Jänse wer’n nich alle, die euch Männern so ’nen Schmus jlooben tun, un wie ick det Mächen kenne, sitzt se de janze Zeit nachher bei mir in de Küche rum und tut, wie wenn se mir helfen will. Aber se will mir jar nich helfen, nich die Bohne, se will bloß een Ooje uff de Küchenuhr haben, un halb eens pünktlich sagt se: Ick fühle, er kommt, Frau Thumann! – Aba er kommt jar nich, und wahrscheinlich sitzt er denn jrade bei seinem hochjeborenen Freunde und se kümmeln eenen in aller Jemütsruhe und paffen eene, und wenn er wirklich wat denkt, denkt er: Die trauen ja alle Tage! Und wat heute nich is, braucht morgen noch lange nich kommen …«
Und damit schoß die Thumann einen vernichtenden Blick auf Wolfgang, einen verächtlich-mitleidigen auf Petra ab, machte mit dem Pott eine kleine Bewegung als Schlußpunkt,Ausrufe- und Fragezeichen in einem und zog die Tür zu. Die beiden aber standen in ziemlicher Verlegenheit und wagten kaum, sich anzusehen, denn man mochte von dem Erguß der Zimmerwirtin denken, was man wollte: angenehm war er nicht.
Schließlich aber sagte Petra: »Mach dir nichts draus, Wolfgang. Die und alle andern können sagen, was sie wollen, das ändert doch gar nichts. Und wenn ich vorhin so weinerlich war, vergiß das. Manchmal hat man so eine Stimmung, als wäre man ganz allein, und dann fürchtet man sich und möchte gerne einen Trost hören.«
»Und jetzt bist du nicht mehr allein, Peter?« fragte Wolfgang seltsam
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