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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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säße man draußen. Es wäre auch noch so, wenigstens könnte man sich mal ausschlafen –!
    Jawohl, die kleine Kowalewski ist nicht schlecht, die wird in Berlin auch keine schlechten Zicken machen – aber die Amanda, Amanda Backs ist erst recht nicht ohne! Der kleine Meier, Negermeier, wirft sich auf die Seite, er verdrängt endgültig den bohrenden Gedanken, daß der Rittmeister eigentlich nicht gesagt hat, man solle nicht einfahren, sondern vielmehr, der Meier solle das halten, wie es das Wetter eben treibe.
    Nein, daran will Meier jetzt nicht denken, er denkt lieber an Amanda. Etwas Leben kommt in ihn, er zieht die Knie an und stößt vor Vergnügen einen grunzenden Laut aus. Dabei fällt die Zigarette aus seinem Mund, aber das ist egal – was braucht er ’ne Zigarette, er hat Amanda! Jawohl, sie nennen ihn den kleinen Meier, den Negermeier – und wenn er sich im Spiegel ansieht, muß er ihnen recht geben. Hinter den runden, großen, gewölbten Brillengläsern sitzen runde, große, gelbliche Eulenaugen, er hat eine eingedrückte Nase und Wulstlippen, eine Stirn, kaum zwei Finger hoch, die Ohren stehen ihm ab – und dazu ist der ganze Mann Meier einen Meter vierundfünfzig hoch!
    Aber das ist es eben: er sieht so toll und verboten aus, so grotesk in seiner Häßlichkeit, und er hat dazu eine so freche süße Schnauze, daß die Mädels alle auf ihn fliegen. Als sie mit ihrer Freundin damals an ihm vorüberging – er war noch ganz frisch auf Neulohe –, da sagte die Freundin: »Amanda, da brauchst du ja ’nen Tritt, um anzulangen!« Doch Amanda sagte: »Das macht nischt, er hat so ’ne süße Kerbe!« – Das war ihre Art von Liebeserklärung, so waren die Mädchen hier: frech und von himmlischer Unbekümmertheit. Sie hatten Appetit auf einen oder nicht, aber jedenfalls machten sie kein Geschmus darum. Gut waren sie!
    Wie die Amanda gestern abend zu ihm ins Fenster stieg – eigentlich hatte er keine Lust, er war zu müde – und die Gnädige fuhr aus den Büschen. (Nicht die junge Gnädige vom Rittmeister, die hätte bloß gelacht, die war selber nicht ohne. Nein, die alte Gnädige, die Schwiegermutter, vom Schloß.)Jede andere hätte gekreischt oder sich versteckt oder seine Hilfe angerufen, nicht so die Amanda. Er konnte ganz unbeteiligt bleiben und sich amüsieren. »Ja, gnädige Frau«, hatte die Amanda ganz unschuldig gesagt. »Ich gehe mit dem Inspektor bloß noch die Geflügelrechnungen durch, am Tag hat er doch nie Zeit.«
    »Und da steigen Sie durchs Fenster?!« hatte die alte Gnädige gekreischt, die sehr fromm war. »Sie schamlose Person!«
    »Wenn’s Haus doch schon zu ist«, antwortete die Amanda.
    Und als die Gnädige noch immer nicht die Nase voll hatte und nicht einsehen wollte, daß sie gegen die jungen Dinger von heute nicht mehr aufkam, nicht mit Frömmigkeit und nicht mit Strenge, da hatte sie gesagt: »Und jetzt ist übrigens Feierabend, gnädige Frau. Und was ich nach Feierabend tue, das ist meine Sache. Und wenn Sie ’ne bessere Geflügelmamsell finden als mich (für solchen Schandlohn) – aber Sie finden keine –, dann kann ich ja auch gehen, aber erst morgen!«
    Und partout hatte sie gewollt, daß er das Fenster nicht zumachte. »Wenn sie stehen will und lauschen, laß sie doch stehen, Hänseken! Uns ist’s egal, und ihr macht’s vielleicht Spaß – vom Beten hat sie ihre Tochter ooch nicht!«
    Der kleine Meier gniggerte höchst vergnügt vor sich hin und drückte die Backe fester gegen den Arm, als fühle er den weichen und doch festen Leib seiner Amanda. Solche war grade richtig für einen Habenichts und Junggesellen wie ihn! Kein Schmus von Liebe, Treue, Heirat, aber immer obenauf, fix bei der Arbeit und fix mit dem Maule. Und keß! Keß, daß einen manchmal das Schaudern ankam! Aber am Ende auch kein Wunder, wie sie aufgewachsen war, mit vier Jahren Krieg und fünf Jahren Nachkrieg, und:
    »Wenn ich mir nischt zu fressen nehme, kriege ich nischt. Und wenn ich dir keine latsche, latschst du mir eine. Immer die Zähne zeigen, junger Mann, auch gegen ’ne olle Frau, spielt gar keine Rolle. Sie hat ihr Gutes gehabt – und ich soll mein Gutes nicht haben, bloß weil sie ’nen dußligen Krieg und ’ne Inflation machen –?! Daß ich nicht lache! Ich binich, und wenn ich nicht mehr bin, ist keiner mehr da! Und für die Tränen, die sie mir als braves Mädchen ins Grab weint (es sind aber bloß Drücketränen), und für den Blechkranz, den sie mir auf meine Madenkiste

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