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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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vielen Stimmen darein.
    »Du weißt, du mußt mich nicht heiraten«, sagte das Mädchen mit einem plötzlichen Entschluß. Und nach einer Pause: »Kein Mensch hat so viel für mich getan wie du.«
    Er sah ein wenig verlegen zur Seite. Das in der Sonne glitzernde Fenster glühte in weißlicher Glut. Was habe ich denn eigentlich für sie getan? dachte er betreten. Ihr beigebracht, wie man Messer und Gabel hält – und richtiges Deutsch.
    Er wandte den Kopf und sah sie an. Sie wollte noch etwas sagen, aber ihre Lippen zuckten, als kämpfe sie mit einem Schluchzen. Er fühlte in dem dunklen Blick, der ihn ansah, solche Intensität, daß er lieber weggesehen hätte.
    Da sprach sie schon. Sie sagte: »Wenn ich wüßte, du fühltest dich bloß verpflichtet, mich zu heiraten, nie wollte ich es.«
    Er schüttelte, langsam, verneinend, den Kopf.
    »Oder aus Trotz gegen deine Mutter«, fuhr sie fort. »Oder weil du denkst, es macht mir Freude.«
    Er verneinte weiter.
    (Aber weiß
sie
es denn, warum wir heiraten? dachte er verwundert, verloren.)
    »… aber ich glaube immer, du willst es auch, weil du spürst, wir beide gehören zusammen«, sagte sie plötzlich. Sie stieß es hervor, nun standen in ihren Augen Tränen. Sie konnte freier sprechen, als sei das Schwerste gesagt. »Ach, Wolf, Lieber, wenn es nicht so ist, wenn du aus irgendeinem andern Grunde heiratest, laß es, ich bitte dich, laß es. Damit tust du mir nicht weh. Nicht so weh«, sagte sie eilig, »wie wenn du mich heiratest und wir gehören gar nicht zusammen.«
    Sie sah ihn an, plötzlich fing sie an zu lächeln, in ihren Augen standen noch Tränen. »Du weißt doch, ich heiße ›Ledig‹, ich habe von je Ledig geheißen – du warst immer mit dem Namen einverstanden, nur Petra war dir zu steinig.«
    »Ach, Petra, Peter, Peter Ledig!« rief er, irgendwie überwältigt in seiner einsamen, eigensüchtigen Höhle von ihrer demütigen Lieblichkeit. »Wovon redest du denn?!« Er nahm sie, schloß sie in seine Arme, schaukelte sie wie ein Kind und sagte lachend: »Wir haben nicht das Geld für die Standesamtsgebühren, und du redest von den tiefsten Dingen?!«
    »Und muß ich nicht davon reden?« sagte sie leiser und hielt den Kopf an seiner Brust geborgen, »muß ich nicht davon reden, da du selbst davon schweigst – immer und alle Tage, alle Stunden –?! Ich denke so oft, selbst wenn du mich in deinen Armen hältst wie jetzt und küßt wie jetzt, daß du ganz weit fort bist von mir – von allem –«
    »Jetzt redest du aber vom Spiel«, sagte er und hielt sie loser.
    »Nein, ich rede nicht vom Spiel«, widersprach sie eilig und lehnte sich fester an ihn. »Oder vielleicht rede ich auch davon. Das mußt du wissen, ich weiß ja nicht, wo du bist und was du denkst. Spiele, soviel du willst – aber wenn du nicht spielst, könntest du dann nicht ein bißchen hier sein –? Ach, Wolfi«, sagte sie, und jetzt war
sie
von ihm fortgeglitten, hielt aber seine beiden Arme über den Ellbogen gefaßt und sah ihn fest an. »Du denkst immer, du müßtest dich wegen des Geldes entschuldigen oder mir etwas erklären – nichts hast du zu erklären, und nichts mußt du entschuldigen. Wenn wir zusammengehören, ist alles richtig, und gehören wir nicht zusammen, ist doch alles falsch – mit und ohne Geld, mit und ohne Trauung.«
    Sie sah ihn erwartungsvoll an, sie hoffte auf ein Wort, ach, hätte er sie nur auf die rechte Art in seine Arme gezogen, sie hätte es schon gespürt –!
    Was will sie eigentlich von mir? hatte er über ihrem Reden gedacht. Aber er wußte wohl, was sie wollte. Sie hatte sich ganz in seine Hand gegeben, von eh und je, von jenem ersten Morgen an, als sie ihn gefragt hatte, ob sie nicht mit ihm kommen dürfe. Ihr war nichts geblieben. Nun bat sie ihn, ihr einmal, doch nur einmal sein dunkles, fernes Herz zu öffnen …
    Aber wie soll ich das denn tun? fragte er sich. Wie mache ich das? Und blitzartig, erleichtert: Daß ich das nicht weiß, zeigt ja, sie hat recht: Ich liebe sie nicht. Ich will sie bloß so heiraten. Hätte ich gestern, dachte er eilig weiter, nur nicht auf Null gesetzt. Dann wäre das Geld dagewesen fürs Standesamt. Es hätte keine solche Auseinandersetzung gegeben. Natürlich wäre es jetzt, da ich dies weiß, richtiger, wir heirateten nicht. Aber wie soll ich ihr das sagen? Ich kann nicht mehr zurück. Sie sieht mich noch immer an. Was soll ich ihr sagen –?
    Die Stille war schwer und drückend zwischen ihnen geworden,sie hielt noch

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