Wolf unter Wölfen
Bauernfelder daran?«
»Nein, nur unser Land. Außenschlag 5 und 7. Und auf der andern Seite Außenschlag 4 und 6.«
»Schön – wenn Sie hier vor einer Viertelstunde sechs, sieben Mann getroffen hätten, stumm, mit Kiepen, die leer aussahen, auf dem Rücken – was hätten Sie dann gedacht, Kowalewski?«
Kowalewski zeigte: »Dahin gehend?«
»Jawohl, dahin gehend, diesen Außenschlagweg.«
Kowalewski zeigte: »Daher kommend?«
»Ja, Kowalewski, von da werden sie wohl ungefähr gekommen sein, nicht hier aus dem Dorf.«
»Dann sind es Altloher gewesen, Herr.«
»Und was wollen die Altloher auf unserm Feld, jetzt, wo es Nacht wird?«
»Tja, Herr, an den Kartoffeln sitzt ja noch nichts dran. Aber da sind die Zuckerrüben, vielleicht wollen sie die ein bißchen blatten. Und dann steht weiter hinten der Weizen, den wir Freitag, Sonnabend gemäht haben – vielleicht wollen sie dem ein bißchen die Ähren abschneiden.«
»Also klauen, Kowalewski, nicht wahr?«
»Die Zuckerrübenblätter brauchen sie als Zickenfutter, sie haben ja fast alle ’ne Zicke. Und den Weizen kann man sich, wenn er schön trocken ist, in der Kaffeemühle mahlen, das haben sie alles im Kriege gelernt.«
»Na schön. Also gehen wir ihnen nach. Kommen Sie mit, Kowalewski – aber Sie tun es wohl nicht gerne?«
»Darauf darf es nicht ankommen, Herr …«
»Sie sollen gar nichts weiter damit zu tun haben, Kowalewski. Sie sollen mir nur einen Rippenstoß geben, wenn mir einer von den Leuten einen falschen Namen sagt.«
»Ja, Herr.«
»Aber die werden wohl wütend auf Sie, Kowalewski –?«
»Wenn es auch Altloher sind, die wissen, daß ich tun muß, was die Herren mir befehlen. Soviel verstehen sie schon.«
»Aber daß die stehlen, das geben Sie nicht gerne zu, Kowalewski?«
»Wenn es auch bloß ’ne Zicke ist, es ist schlimm, wenn man kein Futter für sie hat. Und noch schlimmer ist es, wenn man kein Mehl für die Kinder hat zur Suppe.«
»Aber, Kowalewski –!« Studmann blieb mit einem Ruck stehen. Dann ging er schnell weiter in den immer dunkler werdenden Abend hinaus. »Aber wo soll da eine Ordnung herkommen, wenn die Leute sich einfach holen, was sie brauchen?! Dabei muß das Gut doch kaputtgehen –!«
Kowalewski schwieg hartnäckig, aber Studmann gab nicht nach: »Nun, Kowalewski –?«
»Es ist auch keine Ordnung, Herr, verzeihen Sie, wenn man arbeitet und kann seinen Kindern doch nichts zu essen geben.«
»Aber warum kaufen sie nichts? Wenn sie arbeiten, müssen sie doch auch Geld haben zu kaufen!«
»Sie haben doch bloß Papier, Herr. Jeder hält doch seine Sache fest und will das Papier nicht.«
»Ach so!« sagte Studmann und blieb wieder stehen, aber nicht so ruckweise. Weitergehend meinte er: »Trotzdem müssen Sie einsehen, Kowalewski, daß das Gut nicht zurechtkommen kann, wenn jeder sich holt, was er braucht. Sie wollen doch auch Ihren Lohn zur Zeit haben, wo aber soll der Lohn herkommen, wenn die Erträge fehlen? Glauben Sie mir, der Herr Rittmeister hat es nicht leicht.«
»Der alte Herr ist immer gut zurechtgekommen, er hat viel Geld verdient.«
»Aber vielleicht hat es der Rittmeister schwerer – er muß ja auch dem alten Herrn Pacht zahlen!«
»Davon merken die Altloher doch nichts –!«
»Sie meinen, es geht sie nichts an –?«
»Nein, es geht sie nichts an.«
»Und Sie finden es also richtig, daß sie mausen, Kowalewski?«
»Wenn einer seiner Zicke kein Futter geben kann …«, fing der beharrliche alte Mann wieder an.
»Ach, Dreck! Ob Sie es richtig finden, Kowalewski?«
»Ich würde es nicht tun, Herr. Aber ich habe freilich mein Korn vom Gut und die Kartoffeln und freie Weide für eine Kuh …«
»Ob Sie es richtig finden, Kowalewski?!«
Herr von Studmann schrie fast. Pagel fing an zu lachen. »Was lachen Sie denn, Pagel –? Seien Sie nicht albern! Das Recht auf Diebstahl am eigenen Brotherrn, von einem alten Mann verkündet, der sicher selber nie geklaut hat. – Haben Sie selbst mal geklaut, Kowalewski?«
Es war komisch, Herr von Studmann schrie den alten Mann fast so an, wie es der Feldinspektor Meier getan hatte. Aber dieses Anschreien verschüchterte den Leutevogt nicht weiter, er blieb ganz wohlgemut.
»Was Sie klauen nennen, Herr, oder was wir klauen nennen?«
»Ist da auch ein Unterschied?« grollte Herr von Studmann. Aber das wußte er ja doch.
Jetzt fragte Pagel: »Darf ich auch einmal was fragen, Herr von Studmann?«
»Meinethalben«, sagte Studmann. »Dieser Tiefstand
Weitere Kostenlose Bücher