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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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immer zusammenzunehmen hat, die sich vor Hof und Familie nie etwas merken lassen darf, bei ihrem auserwählten Vertrauten gehenlassen können. Dieses Sichgehenlassen hatte Frau Eva von Prackwitz nur reizvoller gemacht. Eine laue Süße, eine Hilflosigkeit, die bei einer so reifen Frau nur um so verführerischer wirkte, hatten Herrn von Studmann gefangen …
    Ich muß diesem armen Wesen helfen! dachte Herr von Studmann energisch. Was bildet sich diese Krabbe eigentlichein, daß sie solche Geschichten macht! Sie kann doch kaum fünfzehn sein!
    Hier sah der ebenfalls scharf nachdenkende Pagel von seinem Käse hoch und fragte tiefsinnig: »Wie alt taxieren Sie eigentlich Fräulein Violet –?«
    »Wie?!« schrie Herr von Studmann und klapperte heftig mit Messer und Gabel gegen den Teller. »Wie kommen Sie denn darauf, Pagel? Was geht das Sie an!«
    »Gottedoch!« sagte Pagel verblüfft. »Ich kann ja mal fragen. Aber dann eben nicht!«
    »Ich dachte gerade an etwas anderes, Pagel …«, erklärte Studmann, ein wenig verlegen.
    »Es sah verdammt aus, als wenn Sie auch grade daran gedacht hätten!« grinste Pagel.
    »Keine Spur! So junge Mädchen sind einfach Gemüse für mich – ich bin nicht wie Sie zweiundzwanzig, Pagel.«
    »Dreiundzwanzig …«
    »Na schön. Also ich denke, Pagel, es ist jetzt kurz nach acht, wir machen uns auf die Beine und genehmigen in einer der beiden hiesigen Gastwirtschaften einen Schnabus.«
    »Recht so. – Und wie alt schätzen Sie Fräulein Violet?«
    »Sechzehn. Siebzehn. Seien Sie bloß nicht albern, Pagel. Es ist mir natürlich nicht um den Schnaps zu tun …«
    »Viel zu hoch! Sie hat so mollige Formen, das täuscht. Höchstens fünfzehn …«
    »Jedenfalls lassen Sie die Finger davon, Herr Pagel!« rief Studmann mit kriegerisch blitzenden Augen.
    »Aber natürlich!« sagte Pagel verblüfft. »Gott, Studmann, Sie werden noch die reine Sphinx! Wenn es Ihnen also nicht um den Schnaps zu tun ist, worum ist es Ihnen dann zu tun?«
    Ruhiger entwickelte Studmann seinen Plan, sich mit den Gastwirten bekannt zu machen, regelmäßiger Kunde zu werden und so zu versuchen, möglichst viel von dem Geschwätz des Dorfes zu erfahren.
    »Neulohe ist viel zu groß. Wenn wir da auch Nacht für Nacht nach Felddieben herumlaufen, kann es uns doch passieren,daß wir nie einen treffen. Und unser Rittmeister will Erfolge sehen. Da ist ein Wink von einem Gastwirt Gold wert …«
    »Richtig!« stimmte Pagel zu. »Nehmen wir eine Kanone mit?«
    »Heute hat das wohl keinen Zweck, heute wollen wir uns erst einmal anbiedern. Aber, meinethalben, wenn Sie so ein Ding einstecken wollen – Sie sind noch für volle Kriegsbemalung. Ich habe mich mit dem Zeug über fünf Jahre geschleppt …«
    Es war halb neun, als die beiden endlich losgingen. Die Sonne war schon untergegangen, aber es war noch fast hell. Kaum, daß es im Schatten der Bäume zu dämmern anfing. Die Straße vom Gut zum Dorf war voller Menschen: Kinder jagten herum, auf den Bänkchen vor den Türen saßen die alten Leute, jüngere standen in Gruppen beisammen; in der Ferne hörte man es singen; ein Mädchen zog eine widerspenstige Ziege am Strick in ihren Stall.
    Wenn die beiden Herren vorübergingen, wurden die Leute stumm, die Kinder jagten nicht mehr, das Singen hörte auf. Alles sah ihnen nach.
    »Kommen Sie, Studmann«, schlug Pagel vor, »gehen wir außen ums Dorf herum. Wir werden uns schon irgendwie durchschlagen. Dies Anglotzen ist lästig. Und schließlich brauchen nicht alle zu wissen, daß die Herren Beamten saufen gehen.«
    »Recht so«, sagte Studmann, und sie bogen in einen schmalen Pfad, der zwischen den fensterlosen Giebelwänden zweier Leutehäuser hindurchführte. Später fanden sie eine Art Rain, zur Linken lagen schweigende Obstgärten, zur Rechten erstreckte sich ein blühendes Kartoffelfeld. Nun kamen sie auf einen zerfahrenen Weg, rechts führte er gerade in die Felder hinein, links ging es auf die letzten Häuser des Dorfes zu. Die Luft wurde grauer, man fühlte es dunkel werden, die Vögel waren still geworden. Vom Dorf klang ein Lachen herüber und verging.
    Als Pagel und Studmann so schweigend, langsam nebeneinanderher gingen, jeder in einer Fahrrinne des Weges, begegnete ihnen ein Trupp Leute, sechs oder sieben, Männer und Frauen. Ruhig gingen die Leute im Gänsemarsch, Kiepen auf dem Rücken, über den Grasstreifen zwischen den Radgleisen an ihnen vorüber.
    »Guten Abend!« sagte Pagel laut.
    Irgendein verwischter Laut

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