Wolf unter Wölfen
scheint Sie ja sehr zu amüsieren, mein Herr Pagel!«
»Es ist nun recht dunkel geworden«, sagte Pagel vergnügt, »und daß wir beide die Feldmark nicht kennen, das weiß der Herr Kowalewski auch. Sagen Sie mal, Kowalewski, wo liegt denn der Zuckerrübenschlag?«
»Noch fünf Minuten weiter und dann rechts ab über die Roggenstoppel, das sieht man auch beim Sternenlicht.«
»Und der Weizenschlag?«
»Noch drei, vier Minuten weiter den Weg lang. Dann kommen wir grade drauf zu.«
»Ja, Kowalewski«, sagte Pagel ganz spitzbübisch, »wenn Sie nun meinen, daß die Leute das Recht haben, sich das Futter zu holen, warum führen Sie uns dann nicht im Dunkeln ein bißchen die Kreuz und die Quer – wir wissen doch viel, wo wir zu suchen haben!«
»Pagel –!« rief Studmann.
»Das kann ich doch nicht, Herr. Das ist doch keine Ordnung. Wenn Sie mir etwas sagen, dann kann ich Sie doch nicht an der Nase herumführen.«
»Na also!« sagte Pagel sehr zufrieden. »Da haben wir also die Sache klar. Sie sind für Ordnung, Kowalewski, und was Herr von Studmann tut, das ist ordentlich. Aber was die Altloher tun, das ist nicht ordentlich! Sie verstehen wohl, was die tun, Kowalewski, aber ordentlich finden Sie es nicht, richtig finden Sie es nicht …«
»Na ja, Herr, das mag ja so sein. Aber wenn die Zicke kein Futter hat –?«
»Hören Sie auf!« rief Studmann. »Ihr Erfolg hat nicht lange vorgehalten, Pagel!«
Eine Weile gingen sie schweigend durch die Nacht. Die Sterne glitzerten auf einem fast schwarzen Himmelsgewölbe, und was sie um sich sahen, das waren nur Abstufungen von Schwarz zu Grau.
Nach einer Weile fing Pagel wieder an zu reden. Es war ihm etwas eingefallen, und was ihm eingefallen war, das paßte grade. Denn er fühlte, daß der ein wenig schulmeisterliche, pedantische Studmann einen Zorn auf den weichen Leutevogt hatte, der nur verschwommen dachte und fühlte, und er hatte den Trieb, Herrn von Studmann ein wenig mit dem Vater der netten Sophie auszusöhnen.
»Im übrigen«, sagte darum Pagel, »macht sich der Herr Kowalewski ziemlich viel Gedanken um unsere Ernte, Studmann. Wir sind drei Wochen zurück, meint er.«
»Das stimmt!« sagte der Leutevogt.
»Wenig erfreulich«, knurrte Studmann.
»Es müssen möglichst bald Leute her, meint Kowalewski. Und da Herr Rittmeister ja in Berlin Schiffbruch erlitten hat (noch ein Mann mit ’nem Schiffbruch in Berlin, Studmann!), meint Kowalewski, wir müßten unbedingt ein Zuchthauskommando haben.«
»Ich, Herr?« fragte Kowalewski erstaunt.
»Ja, Ihre Tochter hat es mir heute erzählt. Und weil das Zuchthaus schon halb leer ist wegen der vielen Kommandos, müßten wir uns dranhalten, sonst gehen wir leer aus, meint Kowalewski.«
»Ich, Herr –?« fragte der alte Mann immer erstaunter.
»Ja«, sagte Herr von Studmann, »ich habe schon mit Herrn Rittmeister darüber gesprochen. Aber er meint, es macht viel Kosten. Und die Zuchthäusler verstünden nichts von Landarbeit. Und Sie sind also dafür, Kowalewski?«
»Ich –? Nein, Herr. Das sind ja alles bloß Verbrecher.«
»Richtig; Leute, die geklaut haben. Aber Herr Pagel erzählt doch eben, daß Sie ihm erzählt haben …«
»Seine Tochter, die Sophie, Studmann …«
»Also Ihre Tochter. Ihre Tochter wird’s ja wohl von Ihnen gehört haben …«
»Von mir, Herr?«
»Also bitte, stellen Sie sich weiter dumm. Von mir aus, Kowalewski! Ich werde Sie nicht wieder stören.« Er ging ein paar Schritte, blieb stehen, fragte sehr ärgerlich: »Wie weit haben wir eigentlich noch zu gehen?«
»Ja, Herr, das hier rechter Hand ist die Roggenstoppel, wenn wir über die weggehen, kommen wir auf den Zuckerrübenschlag.«
»Ja, meinen Sie denn, daß die Leute da wirklich sind?« Herr von Studmann war plötzlich sehr unlustig.
»Mit unsern Zuckerrüben ist es dieses Jahr nicht viel, die sind ein bißchen zu spät verzogen. Ich denke immer, wenn welche da sind, sind sie auf dem Weizen.«
»Und zum Weizen geht’s hier gradeaus?«
»Drei, vier Minuten noch.«
»Wissen Sie was, Pagel – was sollen wir alle drei den Umweg machen? Laufen Sie schnell über die Roggenstoppel, revidieren Sie die Zuckerrüben und kommen uns dann so schnell wie möglich nach.«
»Jawohl, Herr von Studmann.«
Leiser: »Und da Sie wahrscheinlich doch keine Leute treffen werden, reichen Sie mir mal die Knarre rüber. – So, danke schön. – Na also denn! Weidmanns Heil, Pagel!«
»Weidmanns Dank, Herr von Studmann!«
Die Hände in den
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