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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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um halb neun losmarschiert, was?«
    »Ja, auch der Weg war schön, trotz Ihres Streites mit dem Vogt.«
    »Ja, es will nicht in seinen Kopf. Und auch in den Kopf der Leute will es nicht. Das ist bestimmt genau wie im Hotel in Berlin: alles, was wir tun, ist für die bloß Schikane, Gemeinheit.«
    »Man soll von den Leuten nicht zu viel verlangen, Studmann, sie können ja schließlich nicht anders.«
    »Nein, die nicht, aber …«
    »Aber –?«
    Studmann antwortete nicht. Er war ans Fenster getreten, lehnte sich hinaus. Eine Weile verging so, dann wandte sich Studmann wieder in das Büro zurück und sagte halblaut, wie zu sich: »Nein, er kommt nicht …«
    »Wer kommt nicht? Warten Sie noch auf jemanden?«
    »Ach …«, sagte Studmann abweisend. Dann aber besann er sich: »Schließlich haben Sie die Hauptsache zu diesem Erfolg getan, Pagel. – Ich dachte, der Rittmeister würde noch kommen, um uns, Ihnen zu danken.«
    »Der Rittmeister –?«
    »Sie haben ihn nicht gesehen?«
    »Mir war so … am Wege … war er das wirklich?«
    »Ja, das war er. Er versuchte sich zu drücken. Ich habe ihn angesprochen. Aber es war ihm sichtlich peinlich. Der gute Prackwitz wünschte, daß ihn die Leute nicht sähen …«
    »Aber wieso denn –?« fragte Pagel sehr erstaunt. »Er will doch grade, daß wir dem Felddiebstahl ein Ende machen?«
    »Natürlich! Aber
wir
sollen es eben tun! Wir, Pagel! Nicht er, er möchte nichts damit zu tun haben.«
    Pagel pfiff nachdenklich durch die Zähne.
    »Ich fürchte, Pagel, wir haben einen Chef, der recht scharfe Beamte wünscht, damit er um so milder scheinen kann. Ich fürchte, wir werden wenig Rückendeckung bei Herrn von Prackwitz finden …« Er starrte noch einmal zum Fenster: »Ich dachte, er würde wenigstens hierherkommen. Aber dann eben nicht. Sind wir beide aufeinander angewiesen, geht auch, was?«
    »Großartig«, sagte Pagel.
    »Keinen Zorn aufeinander, immer gleich aussprechen. Keine Geheimnisse voreinander, immer alles erzählen, jede Kleinigkeit. Wir sind gewissermaßen in einer belagerten Festung, ich fürchte, Neulohe wird schwer für den Rittmeister zu halten sein. – Pagel, haben Sie was –?«
    Pagel zog die Hand von seiner Tasche zurück. Es ist nicht mein Geheimnis, dachte er. Ich muß erst mit der Kleinen reden.
    »Nein, nichts«, sagte er laut.

Zeitungen, Zeitungen …
    Die Leute, sei es in Neu- oder Altlohe, sei es in Berlin, sei es sonstwo im Reiche, hielten sich Zeitungen. Sie lasen in diesen Zeitungen. Mehr Leute hielten sich Zeitungen als in früheren Zeiten, sie sahen nach den Dollarnotierungen. Noch gab es keinen Rundfunk, aus den Zeitungen erfuhren sie die Notierungen, und während sie die Blätter auf der Suche nach diesen Millionenzahlen umschlugen, sprangen ihnen, sie mochten wollen oder nicht, in großen Schlagzeilen die Geschehnisse ins Auge. Viele wollten nichts davon lesen, seit sieben Jahren waren sie mit immer größeren Schlagzeilen genährt worden, sie wollten nichts mehr hören von der Welt. Die Welt brachte nichts Gutes. Wenn es nur irgend anging, wollten sie allein leben für sich. Aber es half ihnen nichts, sie konnten sich nicht lösen, sie waren Kinder ihrer Zeit, die Zeit sickerte in sie hinein.
    Es geschah viel in dieser Zeit. In diesen heißen Erntetagen lasen die Leute davon, daß die Regierung Cuno schon wieder wankte, sie sollte dem Wucher Vorschub geleistet, die Lebensmittelknappheit verschuldet haben. An der Ruhr saß noch immer mit schwarzen Regimentern der Franzose, keine Hand arbeitete dort, kein Schornstein rauchte. Das hieß man den passiven Widerstand, und mit neuen Steuern, neuen Abgaben, die der Besitz durch seine Entwertung bezahlen sollte, dachte man diesen Widerstand zu finanzieren. In der Zeit vom 26. Juli bis zum 8. August stieg der Dollarkurs von Siebenhundertsechzigtausend auf vier Millionen achthundertsechzigtausend Mark! Der Reichsbankdiskont wurde von achtzehn auf dreißig Prozent erhöht.
    Aber trotz dieses Widerstandes, trotz des Einspruchs von England und Italien, der das Vorgehen Frankreichs für widerrechtlich erklärt, setzt Frankreich seinen Krieg im Frieden fort. Verlegenheiten muß man Deutschland schaffen, erklärt es, sonst zahlt es doch nicht. Diese Verlegenheiten heißen jetzt schon: über hundert Tote, zehn Todesurteile, ein halbes Dutzend lebenslängliche Verurteilungen, Geiselverhaftungen, Bankraub, Vertreibung von hundertzehntausend Menschen von Haus und Hof. Deutschland soll niederbrechen, aber

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