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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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können sie irgendwo in den Keller legen. Ich regle die Sache mit Herrn Rittmeister – Sie brauchen keine Angst zu haben!«
    »Ich soll die Gänse im Schloß abgeben, sonst fliege ich«, erklärt Hubert Räder unbeugsam.
    »Also lassen Sie die Gänse meinethalben hier im Büro!« ruft Herr von Studmann ärgerlich. »Weg müssen die Biester, und sollte ich sie noch einmal umbringen müssen!«
    »Verzeihung«, widerspricht der Diener Räder höflich, »aber ich soll die Gänse im Schloß abgeben.«
    »Zum Donnerwetter!« ruft Herr von Studmann ärgerlich ob solcher Widerborstigkeit.
    »Zum Donnerwetter!« brüllt vor der Bürotür eine gewaltigere, schimpfgeübtere Stimme los. »Was ist hier mit meinen Gänsen?! Was ist mit meinen Gänsen auf deiner Schubkarre?! Wer hat mir meine Gänse umgebracht!?«
    Herr von Studmann läßt den Diener stehen, wo er steht, und ist mit drei Sätzen aus dem Büro. Draußen steht der alte Geheimrat von Teschow, scharlachrot vor Wut. Er brüllt wieein angeschossener Löwe, er schwingt seinen Knüppel, er bedroht den Gutsmaurer Tiede, der mit machtlos verhallenden Sprüchen ausweicht.
    »Ich bitte, Herr Geheimrat«, sagt Herr von Studmann mit all jener mühsam erlernten Ruhe, die ihn auch der hysterischsten Hotelbesucherin gegenüber nicht verlassen hatte. »Der Mann hat mit den Gänsen gar nichts zu tun. Ich werde …«
    »Haben Sie meine Gänse totgeschlagen! Meinen Attila?! Ich werde Sie lehren, mein Söhnchen! Auf der Stelle machen Sie, daß Sie von meinem Hof herunterkommen! – Lassen Sie meinen Stock los, Herr –!«
    Der Stock war in gefährlicher Nähe von Studmanns Gesicht gewesen. Herr von Studmann aber war nicht zurückgewichen, mit raschem Griff hatte er den Stock gefaßt und hielt ihn eisern fest.
    »Ich bitte, Herr Geheimrat«, bat er, während der andere, nun schon blau werdend, an dem Stock zerrte, »hier vor den Leuten –!«
    »Die Leute sind mir scheißegal!« röchelte der Alte. »Haben Sie sich vor den Leuten geniert, mir meine Gänse totzuschlagen?! Aber ich sage Ihnen, nicht eine Stunde mehr dulde ich Sie auf diesem Hof –! Kommt aus Berlin, denkt, er ist wer weiß wie klug, schwatzt wie ’n Linksanwalt …«
    Ach, der alte Geheimrat! Er war ja so froh, daß er diesem Studmann die mehrfach erlittenen Niederlagen heimzahlen konnte! Daß er ihn im Feuer eines halb gespielten Zornes beschimpfen durfte! Er war ja viel zu schlau, wirklich zu glauben, Herr von Studmann hätte seine Gänse erschlagen. Aber er konnte doch so tun, als glaubte er es, um volle Schimpffreiheit zu haben –!
    Herr von Studmann aber, der lange nicht alle Zusammenhänge dieses Gänsemassakers kannte, hielt dem alten Herrn wohl einen gewaltigen Zorn zugute, fühlte dabei aber, daß nicht alles an diesem Zorn echt war. Er ließ plötzlich den Stock los und sagte mit aller Bestimmtheit, was der alte Herr ja doch erfahren mußte: »Sie irren sich, Herr Geheimrat. IhrSchwiegersohn hat auf die Gänse geschossen. Es sollte nur ein Schreckschuß sein, leider aber …«
    »Sie lügen!« schrie der alte Herr noch zorniger. »Das lügen Sie in Ihren Hals hinein –!«
    »Ich nehme jedenfalls an, es sollte ein Schreckschuß sein …«, sagte Herr von Studmann, blaß werdend.
    »Mein Schwiegersohn –?! Sie lügen ja! Ich bin eben mit meinem Schwiegersohn eine halbe Stunde in der Forst zusammen gewesen, und mein Schwiegersohn hat mir kein Wort von den Gänsen gesagt! Wollen Sie behaupten, mein Schwiegersohn lügt, mein Schwiegersohn ist feige –! Nein, Sie lügen, Sie sind feige –!«
    Herr von Studmann, schneeweiß im Gesicht, hatte wirklich die allergrößte Lust, hier auf der Stelle kehrtzumachen, seine Koffer zu packen und in geruhigere Gefilde abzureisen – etwa nach Berlin. Oder dem alten Herrn so gefährlich auf die Zehen zu treten, daß er auf der Stelle umkippte. Da stand der Maurer Tiede und war mit offenem Mund und kreisförmigen Naslöchern das Lauschen in Person; auf dem Büro der Diener Räder war nicht sichtbar, hörte aber bestimmt alles. Und ganz dicht, gleich hinter den nächsten Büschen, war das Schloß, und fraglos war auch dies gut mit Ohren gefüllt. Der tobende Greis wurde immer beleidigender, aber Herr von Studmann hatte das untrügliche Gefühl, daß dieser Greis nur tobte, um beleidigen zu können, daß er die Wahrheit kannte.
    Wirklich, Herr von Studmann hatte alle Neigung, seine Fähigkeiten einem fruchtbareren Acker zuzuwenden – trug er doch sogar einen Brief mit einem

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