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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Seidenstrumpf war schön. Sie hob die Hand, leise klimperten die Armbänder, und der Arm war voll und makellos weiß – es war die Eva, die alte ewig junge Eva.
    Sie hatte seine Fähigkeit, nachzudenken, zu zergliedern, sich Rechenschaft abzulegen, gelähmt. Herr von Studmann war über fünfunddreißig Jahre alt, er hatte nicht mehr geglaubt, daß er dieses noch einmal erleben würde, in solcher Frische, mit solcher Gewalt. Ja, er wußte noch nicht einmal, daß er dies erlebte. Er saß untadelig dabei, sein Auge verriet nichts, sein Wort blieb bedacht und maßvoll – aber es saß in ihm!
    Wenn nur diese verfluchten Gänseleichen nicht gewesen wären! Immer von neuem geistern die Gespenster der Erschlagenen in die sich langsam beruhigende Unterhaltung hinein, machen die Tränen der alten Frau neu fließen! Immer von neuem klopfen der Diener Elias, die Mamsell, die Geflügel-Backs an: der Diener von der Villa sei da mit den toten Gänsen – wohin sie damit sollten? Immer von neuem macht Hubert Räder einen Ansturm aufs Schloß, sooft er auch zurückgewiesen wird. Immer an einer andern Stelle macht der undurchschaubare Intrigant aus der Bedientenstube einen weiteren Versuch, die Leichen zu übergeben – und trägt neuen Zündstoff herbei.
    Auf einen flehenden Blick von Frau Eva entschließt sich Herr von Studmann. Er verläßt das Zimmer seiner Bezauberung, und über die Schwelle geschritten, aus der Sicht der Frau, ist er wieder der kühle, überlegte Geschäftsmann, mitallen Dienstbotenschlichen aus mehrjähriger Hotelpraxis vertraut.
    Er findet das Souterrain des Schlosses in einer Art Verteidigungszustand. Nachdem der Diener Räder bereits bei jedem der dort Beschäftigten vergeblich versucht hat, die Ermordeten abzugeben, unternimmt er es anscheinend, sich ihrer heimlich zu entledigen, sie auf Fensterbrettern, vor Kellertüren niederzulegen. Nur vereitelt die Wachsamkeit der Einwohner jeden derartigen Versuch. Aber hartnäckig wie ein Maulesel, völlig unbegreiflich umrundet Hubert Räder, gefolgt von einem Tagelöhner, der die Karre mit den Opfern schiebt, von neuem das Schloß, grau, fischig, kalt späht er nach einem offenen Fenster, erwägt die Möglichkeit des Hühnerstalles …
    Diesem Unfug macht Herr von Studmann ein Ende. Er schickt die Schloßbediensteten an ihre Arbeit und kauft sich den Knaben Räder. Aber Herr Räder ist unbegreiflich kühl und abweisend. Er scheint Herrn von Studmann nicht für voll anzusehen. Er habe von Herrn Rittmeister den strikten Auftrag, die Gänse hier im Schloß abzugeben – bei Verlust seiner Stellung! Und auch die gnädige Frau habe diesen Auftrag bestätigt.
    Umsonst versichert Herr von Studmann, daß er eben von der gnädigen Frau mit dem Befehl komme, sofort mit den Gänsen zu verschwinden. Hubert Räder ist nicht geneigt, dies als eine Löschung des rittmeisterlichen Auftrages anzusehen. Wo er übrigens mit den Gänsen hin solle? In die Villa? Herr Rittmeister würde ihn auf der Stelle hinausfeuern.
    Herr von Studmann müßte eigentlich den Diener Räder für einen sehr getreuen Diener ansehen, er findet ihn aber nur ekelhaft widerborstig. Herr von Studmann möchte wieder hinauf in das große grün-goldene Zimmer. Er muß wissen, was dort verhandelt wird – und hier steht er nun schon fünf Minuten und redet auf diesen Esel ein!
    Schließlich befiehlt er Abmarsch bis zum Beamtenhaus; der Tagelöhner folgt, mit der Karre quietschend. Aus demSouterrain des Schlosses starren alle Gesichter der Prozession nach, protestierend folgt der Diener Räder – Herr von Studmann fühlt, daß er eine etwas lächerliche Figur ist.
    Auf dem Büro ergreift Studmann das Telefon. »Ich werde jetzt mit Herrn Rittmeister sprechen«, sagt er milder. »Sie sollen keine Angst um Ihre Stellung haben müssen!«
    Er dreht an der Kurbel. Kühl bis ans Herz hinan steht der Diener Räder dabei. In der Villa meldet sich niemand. Herr von Studmann dreht die Kurbel des Telefons eifriger, er kann nicht umhin, wütende Blicke auf den Diener Räder zu werfen. Aber an den sind sie verloren, der Diener Räder beobachtet das Spiel der Fliegen um den geleimten Fliegenfänger. Als sich schließlich doch jemand in der Villa meldet, ist es die Köchin Armgard, die mitteilt, daß der Rittmeister mit dem gnädigen Fräulein aufs Feld gegangen sei. Der Diener Räder sieht aus, als habe er dies Ergebnis erwartet.
    »Also bringen Sie die Gänse in die Villa, Herr Räder«, sagt Herr von Studmann milde. »Sie

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