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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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derartigen Angebot seit zwei Tagen in der Tasche! Und die Nachricht, daß der Rittmeister seinem Schwiegervater nichts von dieser neuesten Heldentat berichtet hatte, trug nicht dazu bei, seine Neigung zum Weggang zu verringern! (Er zweifelte keinen Augenblick daran, daß der alte Herr in diesem Punkt die Wahrheit gesagt hatte: er hatte den Schwiegersohn wirklich im Wald getroffen, und der Rittmeister hatte kein Wort gesagt.)
    Wenn also Herr von Studmann doch nicht zum Kofferpacken auf sein Zimmer im Beamtenhaus ging, wenn er statt dessen kurzerhand von den toten Gänsen und dem tobenden Greis fort auf das Schloß zuging, so bestimmte ihn dazu nicht die Freundestreue, auch nicht die Erinnerung an die schöne, hilflose Frau dort oben. Auch nicht Pflichtgefühl. Sondern allein die jedem rechten Mann angeborene Widerbockigkeit: er fühlte, der Alte wollte ihn weggraulen, für immer und ewig. Darum blieb er. Er ging, wenn es ihm paßte, nicht, wann der wollte. Nun grade nicht! (Spricht jeder Mann.)
    »Herr!« schrie der alte Geheimrat, »was wollen Sie da? Was wollen Sie in meinem Park? Ich verbiete Ihnen meinen Park …!«
    Herr von Studmann ging wortlos weiter. Jetzt war Herr von Teschow im Nachteil. Sollten seine Bannflüche den Verbrecher erreichen, mußte er ihm nacheilen. Im Laufen schimpft es sich für einen an sich schon kurzatmigen Mann schlecht. Zwischen den einzelnen Atemstößen schrie der Geheimrat: »Ich verbiete Ihnen – meinen Park – Sie haben mein Haus nicht zu betreten! – Elias, du läßt ihn nicht rein! – Es ist Hausfriedensbruch! – Laß ihn nicht die Treppe rauf!«
    Klapp! fiel oben die Tür zum Zimmer seiner Frau zu.
    Seinem Elias winkend, flüsterte der alte Herr fast ganz normal: »Was will er denn da?«
    »Die junge gnädige Frau ist oben«, flüsterte Elias zurück.
    »Hausfriedensbruch!« brüllte der Geheimrat noch einmal. Es war der Kanonenschuß, der den Rückzug decken sollte. »Schon lange?« flüsterte er gleich wieder.
    »Über zwei Stunden.«
    »Und Frau von Teschow?«
    »Gott, gnädiger Herr, sie weinen ja wohl alle beide …«
    »Verdammt!« flüsterte der Alte.
    »Papa!« rief es von oben sachte zu ihm hinunter, »willst du nicht zu uns heraufkommen?«
    »Denke nicht daran!« schrie er. »Muß meinen Attila begraben! Gänsemörder, verdammte!«
    Tripptrapptreppe! Ihre Schuhe kamen so rasch die Treppe hinab, als sei sie noch immer siebzehn, als lebe sie noch in seinem Haus, in jener fernen, glücklichen Zeit …
    »Papa!« sagte sie und faßte ihn unter den Arm. »Ich brauche doch deine Hilfe.«
    »Helfe keinen Mördern!« Und aufwallend: »Der Kerl soll raus aus dem Haus, ich tue keinen Schritt, solange der Kerl noch oben ist!«
    »Also, Papa, komm!«
    Schon setzte er den ersten Fuß auf die Treppe.
    »Du weißt ganz genau, daß Herr von Studmann der anständigste und hilfsbereiteste Mann ist. Vor mir mußt du dich nicht verstellen!«
    Es klang etwas anderes in diesen letzten Worten mit, ein fremder, trauriger Ton.
    Der alte Herr sagte: »Man sollte nicht alt werden, Evachen.« Und wütend über die Schulter: »Elias, wenn Herr von Prackwitz, mein sogenannter Schwiegersohn, kommt, sagst du ihm, ich sei nicht für ihn zu sprechen! Er soll sich gefälligst eine andere Pachtung suchen – und das heute noch!« Leise zu seiner Tochter: »Evachen, du denkst, du kannst mit mir machen, was du willst. Aber nur, wenn der Herr Schwiegersohn aus Neulohe wegkommt, verstanden –?!«
    »Wir werden alles in Ruhe bereden, Papa«, sagte Frau Eva.
    »Jawohl, bereden möchtste mich, Evchen«, knurrte der Alte und drückte ihren Arm.

9
    Also: der Geheimrat von Teschow hatte in diesem Punkt wirklich die Wahrheit gesagt: Er hatte seinen Schwiegersohn in dem Forst getroffen, und wenn die beiden auch keine halbe Stunde miteinander geredet hatten, so hatten sie sich doch ganz freundlich »guten Tag« gesagt. Zwei Fünftel der dann folgenden Unterhaltung hatten dem Rehwild gegolten und drei Fünftel dem Mädchen Violet, das der Großvater solange nicht gesehen hatte. So war keine Zeit für den Bericht des Gänsemassakers übriggeblieben – auch dieser Punkt der Teschowschen Behauptungen war richtig gewesen.
    Wenn Herr von Studmann aber grade wegen dieses Verschweigens seinen ehemaligen Freund Prackwitz niedriger eingeschätzt und sogar bei sich Feigling gescholten hatte, so war er damit kaum im Recht. Feige war der Rittmeister nicht, aber launisch – das war er! Launisch wie ein Backfisch, der die

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