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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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    »Gewiß, Mama, ich werde mehr darauf achten. Du hast sicher recht«, sagte Frau von Prackwitz gehorsam.
    Sie war eine Heldin, Herr von Studmann gab es sich unumwunden zu. Sie zuckte nicht, und sie zögerte nicht. Sicher fand sie des Siegers Joch nicht leicht, aber davon ließ sie sich nichts anmerken. Doch für wen, fragte sich der aufmerksam dabeisitzende Herr von Studmann, für wen ertrug sie diese bitteren Demütigungen? Für einen Mann, der es nie verstehen würde, der heute abend, wenn alles glücklich wieder eingerenkt wäre, triumphierend behaupten würde: »Na also, habe ich es dir nicht gleich gesagt!? Geplärr wegen gar nichts! Das wußte ich doch, aber du mußt dich immer anstellen und kannst nie auf mich hören.«
    Es war erschrecklich, wie rasch eine lange Kameradschaft aus Friedens- und Kriegsjahren sich in diesen Zeiten, unter diesen Verhältnissen auflöste! Herr von Prackwitz war sicher nie ein besonders glänzender, ein sehr befähigter Offizier gewesen. Das hatte Herr von Studmann auch nie geglaubt. Aber er war ein zuverlässiger Kamerad gewesen, ein mutiger Mann und ein angenehmer Gesellschafter. Und was war davon geblieben –? Er war nicht zuverlässig – er schickte seine Beamten gegen Felddiebe aus, aber wenn die Diebe gefaßt waren, drückte er sich in ein Gebüsch. Er war nicht mehr Kamerad – er war nur noch Vorgesetzter, und ein ungerecht nörgelnder Vorgesetzter dazu. Er war nicht mehr mutig, lieber ließ er seine Frau allein zu einer unangenehmen Auseinandersetzung gehen. Er war keine angenehme Gesellschaft mehr – er sprach nur noch von sich, von den Kränkungen, die er erlitt, von den Sorgen, die er hatte, von dem Geld, das ihm knapp war.
    Und während Herr von Studmann bei sich diese Betrachtungen anstellte, während er sich zugab, daß alle diese schlimmen Eigenschaften des Rittmeisters von Prackwitz in der Wurzel schon früher bei ihm vorhanden gewesen waren,daß die Ungunst der Zeiten sie nur so üppig in den Halm hatte schießen lassen – während alldem hatte Herr von Studmann ein anderes Bild vor Augen. Da saß diese Frau des Rittmeisters, und wo der Mann feige war, war sie mutig. Wo er nur an sich dachte, blieb sie Kamerad. Oben saß die alte Frau, ein dürrer, trockener kleiner Vogel mit einem spitzen Schnabel, mit dem sie hacken konnte, und unten saß die junge blühende Frau. Ja, sie war noch jung, sie blühte, das Land wollte ihr wohl, sie war reif wie goldfarbener Weizen, ein Reiz lag über ihr – sie war reif! Als die alte Frau von den tiefen Blusenausschnitten gesprochen hatte, war es dem Oberleutnant doch geschehen, daß er einen raschen Blick auf die sanft atmende Bastseide geworfen und den Blick gesenkt hatte, wie ein erwischter Unterprimaner –!
    Oh, Herr von Studmann sah nur Vorzüge an dieser Frau – je verzerrter, je fehlerhafter er des Rittmeisters ehemals freundschaftliche Figur sah, um so fehlerloser sah er die Frau. Theoretisch gab er zu, daß sie eine Frau, ein Mensch war, und also fehlerhaft wie alles Menschliche – ja, sie mußte auch ihre Schattenseiten haben. Aber er hätte seinen ganzen Kopf durchsuchen können, er hätte nichts an ihr auszusetzen gefunden –! Für ihn war sie fehlerlos geworden, ein Bote des Himmels – aber an wen? An einen Narren! An einen Wirrkopf!
    Wie sie alles nicht nur schweigend ertrug, nein, noch dazu lächelte, noch darauf antwortete, versuchte, aus der Bußpredigt der Mutter einen Dialog zu machen, ein Gespräch, den alten Haufen Gift aufzumuntern! Ach, sie tut es ja gar nicht für ihren Mann, dachte Herr von Studmann plötzlich. Sie tut es nur für ihr Kind! Über ihren Mann kann sie gar nicht anders als ich denken, sie hat ja eben erst auf der Diele gesehen, wie er ist! Mit ihrem Mann kann sie überhaupt nichts mehr verbinden. Es ist nur noch die Tochter, Violet … Und natürlich möchte sie sich das Gut erhalten, auf dem sie groß geworden ist …
    Von der Verurteilung des Freundes bis zu seinem Verratwar nur ein Schritt. Aber es muß Herrn von Studmann zugute gehalten werden, daß er nicht klar über diese Dinge nachdachte. Der Lehrer wäre über den Abgrund im eigenen Herzen erschrocken. Herr von Studmann dachte nicht, er sah nur. Er sah diese blühende Frau, ein wenig tiefer sitzend als er, wie das Haar über dem Nacken hochgebunden war, wie der Nacken sich straffte, sich beugte. Die schönen, weißen Schultern, die unter der Bastseide der Bluse verschwanden. Sie bewegte einen Fuß, und die Fessel im

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