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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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nicht gehen, Hubert. Ich werde selbst gehen. Bitte, Herr von Studmann, begleiten Sie mich … Es gibt eine schreckliche Auseinandersetzung, aber wir wollen retten, was zu retten ist.«
    »Selbstverständlich, gnädige Frau«, sagte Herr von Studmann.
    »Und ich?!« schrie der Rittmeister. »Und ich –?! Ich werde überhaupt nicht mehr gebraucht?! Ich bin gänzlich überflüssig?! – Hubert, Sie gehen auf der Stelle mit den Gänsen los, oder Sie sind entlassen.«
    »Jawohl, Herr Rittmeister!« sagte der Diener Hubert gehorsam, sah aber seine Herrin an.
    »Gehen Sie jetzt, Hubert, oder ich schmeiße Sie raus!« schrie der Rittmeister in einem letzten Anfall von Wut.
    »Tun Sie, wie der Herr Rittmeister sagt, Hubert«, sagte die gnädige Frau. »Kommen Sie, Herr von Studmann, wir müssen möglichst noch vor Elias bei meinen Eltern sein.«
    Auch sie ging eilig. Herr von Studmann warf einen Blick auf die beiden Gestalten in der Diele, zuckte hilflos mit den Schultern und folgte Frau Eva von Prackwitz.
    »Papa!« fragte Weio, die gespannt darauf gewartet hatte, daß ihre Mutter sie zum ersten Male seit zwei Wochen vergessen würde. »Darf ich ein bißchen raus und baden gehen?«
    »Na, Weio –!« sagte der Rittmeister. »Die beiden haben sich aber wichtig, was? Wegen ein paar Gänsen! Ich will dir sagen, wie es kommt. Die reden einen halben Tag und die halbe Nacht, und dann bleibt alles so, wie es ist.«
    »Ja, Papa«, sagte Weio. »Und darf ich baden gehen?«
    »Du weißt, daß du Stubenarrest hast, Weio«, erklärte der konsequente Vater. »Ich kann dir nicht erlauben, was deine Mutter verboten hat. Aber meinethalben komm mit, ich gehe ein bißchen in den Wald.«
    »Jawohl, Papa«, sagte die Tochter und ärgerte sich maßlos, daß sie gefragt hatte. Denn der Vater hätte sie bestimmt auch vergessen.

8
    Was die Verhandlungen im Schloß so sehr erschwerte, das waren die ermordeten Gänse. Nicht die Tatsache, daß sie standrechtlich wegen Felddiebstahls erschossen worden waren – diese Nachricht hatte der alte Elias natürlich ganz ungewöhnlich, ganz unwürdig eilend noch vor der gnädigen Frau in das Schloß getragen – die war also bekannt. Nein, die Leichname der Ermordeten selbst, ihre entflohenen Seelen, ihre Gespenster geisterten immer von neuem durch die tränenreichen Verhandlungen.
    Da saßen sie oben zu viert in dem Zimmer der gnädigenFrau, das so angenehm sommerlich grün verhangen war von hohen Lindenkronen. Das helle Klingling der Maurerhämmer war verhallt, die Tür war zugemauert und das Kreuz nach einer von Herrn Studmann im Vorübergehen hastig geflüsterten Weisung rot übermalt worden. Der alte Geheimrat trieb sich noch immer in seinen Kiefernkuscheln herum und wußte gottlob von nichts, so daß man Zeit hatte, die alte gnädige Frau zu beruhigen und versöhnlich zu stimmen …
    Und Frau von Teschow saß jetzt auch schon gefaßter in ihrem großen Armsessel und führte nur noch selten ihr Tüchlein an die alten, so leicht und mühelos weinenden Augen. Das Fräulein Jutta von Kuckhoff sprach ab und an ein gesalzenes oder ungesalzenes Sprichwort, lieber aber ein gesalzenes. Der Herr von Studmann saß mit einem sehr geziemenden, verbindlichen und ein wenig betrübten Gesicht dabei und warf dann und wann ein kluges Wort ein, sanft wie Wundbalsam …
    Und Frau Eva von Prackwitz hockte vor ihrer Mutter, zu ihren Füßen, auf einer Art Schemelchen, und hatte schon so durch die Wahl ihres Sitzplatzes klug angedeutet, wie völlig sie sich ihrer Mutter unterordnete. Sie bewies, daß sie das Hauptstück aus jedem Ehekatechismus in- und auswendig wußte, daß es meistens nämlich die Ehefrauen sind, die für die Sünden, Laster und Dummheiten ihrer Ehemänner zu büßen haben. Nicht einen Augenblick vergaß sie den Satz, den sie Herrn von Studmann beim Fortgehen aus der Villa gesagt hatte, daß sie nämlich retten wollte, was noch zu retten war. Und ohne Wimperzucken ließ sie sich von ihrer Mutter nicht nur Dinge sagen, die einer Frau nicht soviel ausmachen, wie nämlich über den Gänsemord, das Backsteinkreuz, die Zuchthäusler oder den Rittmeister. Sondern auch Dinge, die eine Frau nicht einmal von ihrer Mutter ertragen mag: also über die Erziehung der Violet, ihren Verbrauch an seidener Unterwäsche, ihre verschwenderische Neigung für Hummer (»Aber, Mama, es sind ja bloß japanische Taschenkrebse!«), über ihren Lippenstift, über ihreNeigung zum Starkwerden und ihre viel zu tiefen Blusenausschnitte

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