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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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das Kalb ab.«
    »Weil ich doch alles wegen der Gustel wissen möchte! Die Irene schreibt nämlich, der alte Gallwitz ist gar nicht sorecht einverstanden, aber der Leutnant will durchaus und die Gustel auch – und sie wollen unter allen Umständen heiraten. Es muß doch also gehen, Papa!«
    »Jawohl, Weio«, sprach der Vater. »Wenn sie ein schlechtes, unfolgsames Mädchen ist, dann reißt sie mit ihm aus, und sie fahren nach England. Da ist ein Schmied, und der Schmied darf sie trauen, und dann sind sie verheiratet. Aber es ist eine Lumpenheirat – und kein solches Mädchen darf wieder in ihr Elternhaus, und der Leutnant muß seinen Rock ausziehen und darf nie wieder Offizier sein …«
    »Aber sie sind richtig verheiratet, Papa –?« fragte Weio süß.
    »Jawohl, richtig verheiratet!« schrie der Rittmeister kirschrot. »Aber ohne ihrer Eltern Segen!« (Der Rittmeister ging nie in die Kirche.) »Und der Eltern Segen baut den Kindern ein Haus auf, aber des Vaters Fluch reißt es nieder, oder wie es in der Bibel heißt.« (Seit seiner Konfirmationszeit hatte der Rittmeister nie wieder in die Bibel gesehen.) »Und ich verbiete dir, Weio, diesen beiden albernen Gänsen, die dich auf so dumme Gedanken bringen, je wieder zu schreiben! Und den Brief gibst du mir sofort heraus, wenn wir nach Haus kommen!«
    »Jawohl, Papa!« sagte Weio gehorsam. »Den Brief habe ich aber schon zerrissen.«
    »Das Schlaueste, was du tun konntest!« knurrte der ahnungslose Vater.
    Und nun gingen die beiden schweigend weiter durch den Wald. Der Rittmeister, der sich nun doch wieder geärgert hatte, versuchte zuerst vergeblich, an seinen Horch zu denken. Es kam immer ein störender Gedanke dazwischen. Erst als er sich intensiver mit der Inneneinrichtung beschäftigte und an die ernste Frage herantrat, Polsterung oder Leder und welche Farbe – erst da gelang es ihm, wieder ruhig zu werden und behaglich einherzugehen durch den schönen sommerlichen Wald, an der Seite seiner gottlob nun endlich verstummten, manchmal doch recht weiblichen Tochter.
    Und ebenso behaglich ging Violet neben ihrem Vater her, denn sie wußte nun endlich, was sie schon lange wissen wollte. Daß es eben doch eine Möglichkeit gab, ihren Leutnant zu heiraten. Und was der Vater sonst noch gesagt hatte, von dem Fluch der Eltern und dem Ausziehen der Uniform, das wog vor diesem neuen herrlichen Wissen federleicht. Wenn sie wirklich daran dachte, so dachte sie nur, daß sie ihren Vater noch immer herumgekriegt hatte, und warum denn nicht nach einer Heirat –?! Und ihr Fritz war so geschickt, der konnte eigentlich alles werden und brauchte kein Leutnant zu sein, und da sie als einziges Kind doch einmal alles hier erben würde, wie sie sehr wohl wußte, so konnte er ebensogut gleich hier wirtschaften und dem Papa helfen, statt immer auf einem Rad durchs Land zu fahren!
    So ging es dem Mädchen in Kopf und Herzen durcheinander, aber sie merkte es gar nicht. Sondern die ganze Zukunft erschien ihr wie ein mit Maienreisern besteckter Spiegel, in dem sie nur ihr eigenes strahlendes Gesicht sah. Wenn aber heute schon zum zweiten Male das Wort Lump an ihr Ohr schlug, so kümmerte sie das auch nicht und machte sie kein bißchen nachdenklich. Sondern hier konnte man mit einem Wort aus Jutta von Kuckhoffs Sprichwörterschatz sagen, daß die Liebe auch einen Besenstiel grün macht: Da er aus Liebe zu ihr ein Lump geworden war, verzieh sie ihm stracks kraft ihrer Liebe sein Lumpentum. Ja, sie bewunderte ihn gar noch wegen seines Heldenmutes, daß er um ihretwillen weder Strafgesetzbuch noch Gefängnis gescheut hatte.
    Aber all dies bewegte sich nur unscharf und ohne feste Gestalt in ihr, was sie wach träumend deutlicher sah, das war die heimliche Flucht zu Lande und zu Wasser in das ferne Reich England. Plötzlich freute sie sich, daß sie bei der Mama Englisch weiter getrieben hatte, denn nun konnte sie sich mit den Leuten drüben verständigen. Und sie freute sich, daß kein Krieg mehr war, denn sonst hätte sie sich ja nicht in England mit ihm trauen lassen können!
    Und nun kam gleich der trauende Schmied; daß es gerade ein Schmied war! Und sie sah die kleine Schmiede, ganz wie die Gutsschmiede hier in Neulohe, und vor der Tür waren unter einem kleinen Dach die Pferde angebunden, die beschlagen werden sollten. Und rechts von der Tür lehnten die großen Wagenräder, auf die Reifen zu binden waren, und gerade durch die Tür sah man das offene Schmiedefeuer, das unter dem

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