Wolf unter Wölfen
kommst ohne jede Ankündigung hier an – wir konnten die Eltern nicht einmal vorbereiten …«
»An die Gefühle meines Schwiegervaters habe ich allerdings nicht gedacht. Ich dachte einfach, du würdest dich freuen …«
»Aber, Achim!« rief sie verzweifelt. »Sei doch kein Kind! Worüber soll ich mich denn freuen? Wir sind doch keine jungverheirateten Leutchen mehr, daß ich schon strahle, wenn ich dich nur sehe –!«
»Nein, wahrhaftig, das tust du nicht!«
»Wir kämpfen doch hier um die Pachtung. Die Pachtung ist ja das einzige, das uns ein bißchen Einkommen sichert, wie wir es gewohnt sind! Was sollen wir denn anfangen, wenn wir sie verlieren? Ich habe nichts gelernt, und ich kann nichts – und du …«
»Ich kann natürlich auch nichts!« sagte der Rittmeisterbitter. »Was ist nur in dich gefahren, Eva –?! Du bist vollkommen verändert! Schön, ich bin etwas voreilig zurückgekommen, es war vielleicht unbesonnen. Nun gut, aber ist das ein Anlaß, mir zu sagen, daß ich nichts gelernt habe und nichts kann?!«
»Du vergißt das Auto vor der Tür, Achim!« rief sie. »Du weißt, wir sitzen in Geldnot bis da, aber vor der Tür steht ein funkelnagelneues Auto, das sicher zehntausend Goldmark gekostet hat –«
»Siebzehn, Eva! Siebzehntausend!«
»Gut, also siebzehntausend. Es ist so weit, daß ich sage, es ist ganz gleich, ob es zehntausend oder siebzehntausend gekostet hat. Wir können beides nicht bezahlen. Was ist also mit dem Auto, Achim?«
»Mit dem Auto ist alles in Ordnung, Eva«, erklärte der Rittmeister.
Die Nähe der schlimmsten Gefahr gab ihm seine Ruhe wieder. Er wünschte nicht wieder eine Szene. Er wollte sich nicht wieder unangenehme Dinge sagen lassen, er hatte das Recht, zu tun, was er tat. Ein Ehemann, dem seine Frau zwanzig Jahre lang den Willen getan hat, wird nie begreifen, warum sie nun plötzlich nicht mehr so will wie er. Die Frau, die zwanzig Jahre geschwiegen, gelächelt, verziehen, geduldet hat, ist in seinen Augen eine Rebellin, wenn sie die Geduld verliert und im einundzwanzigsten Jahr reden, klagen, anklagen, Rechtfertigung will. Sie ist eine Empörerin, gegen die jede Kriegslist erlaubt ist. Zwanzig Jahre Duldung geben ihr nur das Recht, auch im einundzwanzigsten Jahre duldsam zu sein …
Und dann hatte es der Rittmeister so einfach. Sein beweglicher Geist, sein grenzenloser Optimismus ließen ihn die Dinge im rosigsten Lichte sehen. Er brauchte ja nicht einmal eine unwahre Darstellung dieses Autokaufs zu geben, um seine Frau ins Unrecht zu setzen; er brauchte nur zu sagen, wie dieser Autokauf etwa zustande gekommen sein konnte. Eine Frau versteht von diesen Dingen doch nichts.
»Mit dem Auto ist alles in Ordnung, Eva«, sagte er darum.»Ich darf eigentlich noch nicht davon reden, aber ich kann dir sagen, ich habe das Auto gewissermaßen auf höhere Weisung gekauft.«
»Auf höhere Weisung? Was heißt das?«
»Nun, im Auftrag, für jemand anders. Kurz gesagt: für die Militärbehörde.«
Frau von Prackwitz sah ihren Mann grübelnd an. Ihr untrüglicher Wirklichkeitssinn, die unbestechliche Waffe der Frau, sagte ihr, daß hier etwas nicht stimmte.
»Für die Militärbehörde?« fragte sie nachdenklich. »Warum kauft sich denn die Militärbehörde ihre Autos nicht selbst?«
»Mein liebes Kind«, erklärte der Rittmeister überlegen, »das Militär ist heute durch tausend Dinge gebunden. Durch die Schwatzbude in Berlin, die ihm keine Gelder bewilligen will. Durch den Versailler Vertrag. Durch die Schnüffelkommission. Durch hundert Spione. Es muß leider heimlich tun, was es für unerläßlich hält.«
Frau von Prackwitz sah ihren Mann scharf an. »So ist der Wagen also von der Militärbehörde bezahlt worden?« fragte sie.
Der Rittmeister hätte gerne ja gesagt, aber er wußte, daß eine Anzahlung von fünftausend Goldmark für den zweiten Oktober ausbedungen war. Doch wagte er einiges. »Das nicht«, sagte er. »Aber ich werde das Geld zurückbekommen.«
»So?« sagte sie. »Und da das Militär heimlich vorgehen muß, gibt es wahrscheinlich auch keine schriftliche Abmachung deswegen?«
Es war das Schlimme bei dem Rittmeister, daß er aller Dinge, also auch seiner Lügen, so rasch überdrüssig wurde. Es war alles so langweilig, so umständlich. »Ich habe einen dienstlichen Befehl«, sagte er ärgerlich. »Und ich bin gottlob noch so weit Offizier, daß ich bedenkenlos ausführe, was mir ein Vorgesetzter sagt.«
»Aber du bist kein Offizier, Achim!« rief
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