Wolf unter Wölfen
sie verzweifelt aus. »Du bist ein Privatmann, und wenn du als Privatmanneinen Wagen kaufst, stehst du mit deinem ganzen Privatvermögen dafür ein!«
»Höre zu, Eva«, sprach der Rittmeister, entschlossen, dieser Fragerei endlich ein Ende zu machen. »Ich darf eigentlich nicht davon reden, aber ich will dir alles sagen. Am ersten Oktober, übermorgen, wird die jetzige Regierung gestürzt – von der Reichswehr und anderen militärischen Verbänden. Alles ist vorbereitet. Ich habe den dienstlichen Befehl bekommen, mich am ersten Oktober morgens um sechs Uhr in Ostade einzufinden – mit einem Kraftwagen, mit diesem Kraftwagen!«
»Es wäre schön«, sagte sie, »eine andere Regierung! Nicht mehr dieser Dreck, in den man immer tiefer gerät. Sehr schön wäre das!« Einen Augenblick saß sie so, dann: »Aber …«
»Nein, bitte, Eva!« sagte er entschieden. »Nun kein ›Aber‹, du weißt, um was es geht. Die Sache ist erledigt.«
»Und Herr von Studmann?« fragte sie plötzlich. »Er ist doch auch Offizier! Weiß er denn nichts davon?«
»Das ist mir nicht bekannt«, sagte der Rittmeister steif. »Ich weiß nicht, nach welchen Prinzipien die Herren aufgefordert wurden.«
»Bestimmt weiß er nichts davon«, überlegte sie. »Und Papa –? Einer der reichsten Leute im Kreise? Ist der auch nicht aufgefordert?«
»Von deinem Herrn Papa wurde geredet«, berichtete der Rittmeister bissig. »Leider recht abfällig. Er ist wohl wieder mal der ganz Schlaue gewesen – er will erst den Erfolg sehen, ehe er mitmacht.«
»Papa ist vorsichtig«, überlegte Frau von Prackwitz nachdenklich. Und von einem plötzlichen Gedanken erfaßt: »Und wenn der Putsch mißlingt? Was wird dann? Wer bezahlt dann deinen Wagen?«
»Er wird nicht mißlingen!«
»Aber er
kann
doch mißlingen«, beharrte sie. »Der Kapp-Putsch ist auch mißlungen. Bedenke: siebzehntausend Mark!«
»Er mißlingt aber nicht!«
»Möglich ist es doch! Wir wären ruiniert.«
»Dann würde ich den Wagen zurückgeben.«
»Und wenn er beschlagnahmt wird? Oder zerschossen? Siebzehntausend Mark!«
»Wenn ich ein Auto kaufe«, sagte der Rittmeister gekränkt, »redest du immer von siebzehntausend Mark. Aber wenn dein lieber Vater Unsummen von uns verlangt, die uns einfach ruinieren, dann sagst du: ›Wir müssen unbedingt zahlen!‹«
»Aber, Achim! Pacht zahlen muß doch sein, ein Auto braucht nicht zu sein!«
»Es ist mir dienstlich befohlen!« Er war hartnäckig wie ein Maulesel.
»Ich verstehe das alles nicht«, grübelte sie. »Du kommst doch grade erst aus dem Sanatorium. Hast doch nur an deine Kaninchenjagd gedacht. Und plötzlich, plötzlich erzählst du von Putsch und Autokauf …«
Sie sah ihn nachdenklich an. Immer wieder warnte sie ihr Instinkt, es stimmte etwas nicht.
Er wurde rot unter ihrem Blick. Hastig beugte er sich vor, nahm eine Zigarette aus seinem Etui. Indem er sie anzündete, sagte er: »Entschuldige, davon verstehst du nichts. Die Sache ist lange vorbereitet, schon vor meiner Abreise wußte ich davon.«
»Aber, Achim«, bat sie, »sage das doch nicht! Du hättest mir doch unbedingt davon gesprochen!«
»Ich war zum Schweigen verpflichtet.«
»Ich glaube es dir nicht!« rief sie. »Diese ganze Geschichte ist plötzlich gekommen. Hättest du keinen Streit mit Geheimrat Schröck gehabt, du säßest noch dort und schössest deine Kaninchen, und von Putsch, Autokauf und alledem wäre nicht die Rede.«
»Ich möchte nicht noch einmal hören«, sagte der Rittmeister drohend, »daß du mir etwas nicht glaubst, daß ich also ein Lügner bin! – Im übrigen kann ich dir beweisen, was ich sagte. Erkundige dich bei dem Förster, ob nicht ein ganz TeilMänner in Neulohe nur auf den Ruf loszubrechen warten. Frage Violet, ob nicht ein recht erhebliches Waffenlager in deines Vaters Forst verborgen liegt.«
»Violet weiß auch davon?!« rief sie, tödlich verletzt. »Und das nennt ihr Vertrauen, das soll eine Familie sein?! Ich rackere mich hier ab, ich demütige mich vor Papa, ich rechne und sorge, ich ertrage alles, ich vertusche eure Dummheiten – und ihr habt Geheimnisse vor mir?! Ihr macht Komplotte hinter meinem Rücken, macht Schulden, gefährdet alles, spielt um unsere Existenz, und ich darf nichts wissen?!«
»Eva, ich bitte dich –!« rief er, erschrocken von der Wirkung seiner Worte. Er streckte ihr die Hand hin.
Sie sah ihn mit funkelnden Augen an. »Nein, mein Freund!« rief sie zornig. »Das war nun doch zu kräftig!
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