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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Kniebusch, ein greisenhafter Schwätzer; Violet, ein unmündiges, unreifes Mädchen, im Komplott mit dir – aber mir gegenüber berufst du dich auf Schweigepflicht. Ich darf nichts wissen, das Vertrauen, das du den beiden schenkst, bin ich nicht wert …«
    »Ich bitte dich, Eva!« rief er beschwörend. »Laß dir doch sagen …«
    »Nein!« zürnte sie. »Du sollst mir nichts sagen! Ich danke für deine Geständnisse – hinterher! Das kenne ich nun schon unsere ganze Ehe lang. Ich bin dieser Dinge so müde! Ich will nicht mehr! Versteh doch«, rief sie zornig und stampfte mit dem Fuß auf. »Ich will nicht mehr!! Das habe ich nun hundertmal gehört, die Bitten um Verzeihung, die Schwüre, dich zusammenzunehmen, die liebenswürdigen Worte – nein, danke!«
    Sie wandte sich zur Tür.
    »Eva«, sagte er und ging ihr schnell nach. »Ich verstehe deine Aufregung nicht.« Er kämpfte mit sich. Dann, nach schwerem Entschluß: »Meinethalben – ich schicke das Auto noch diese Stunde nach Frankfurt zurück.«
    »Das Auto!« rief sie verächtlich. »Was geht mich das Auto an!«
    »Aber du hast doch eben selber gesagt –! Sei doch bitte einmal logisch, Eva!«
    »Du hast noch nicht einmal verstanden, von was wir reden! Wir reden nicht von Autos, wir reden von Vertrauen! Von Vertrauen, das du seit zwanzig Jahren als etwas ganz Selbstverständliches verlangst und das du nie zu mir hast …«
    »Also, Eva«, sagte er, »bitte, sage mir jetzt präzis, was du eigentlich von mir willst. Ich habe dir schon erklärt, daß ich bereit bin, das Auto sofort nach Frankfurt zurückzuschicken, trotzdem ja eigentlich eine dienstliche Anordnung … Ich wüßte wirklich nicht, wie ich es rechtfertigen sollte …«
    Er verwirrte sich schon wieder, wieder wurde er schwach.
    Sie sah ihn mit kalten, bösen Augen an. Plötzlich, in einer, in dieser Minute sah sie den Mann, an dessen Seite sie fast ein Vierteljahrhundert gelebt hatte, wie er wirklich war: schwach, ohne jeden Halt, unbeherrscht, töricht, jedem Einfluß preisgegeben, ein Schwätzer … Er ist nicht immer so gewesen! klang es in ihr. Nein, er war anders gewesen, aber damals waren die Zeiten anders gewesen. Er hatte im Glück gesessen, das Leben hatte gelächelt, es hatte keine Schwierigkeiten gegeben, es war so leicht gewesen, nur die guten Seiten zu zeigen! Selbst im Kriege noch: er hatte Vorgesetzte gehabt, die ihm gesagt hatten, was er zu tun hatte, eine Dienstordnung –. Es war die Uniform mit all ihrem Drum und Dran gewesen, die ihn aufrecht gehalten hatte. – Als er die auszog, sackte er zusammen. Es erwies sich, daß er nichts in sich hatte, nichts, keinen Kern, nichts, das ihm Widerstandskraft gab, keinen Glauben, kein Ziel. – Ohne Stern ging er in einer irren Zeit sofort irre …
    Aber während all dies blitzschnell durch ihren Kopf zog, in einem Ansehen des altbekannten Gesichtes, dieses Gesichtes, in das sie häufiger geschaut hatte als in jedes andere Menschengesicht, erhob sich eine Stimme in ihr, leise, feierlich, anklagend: Dein Werk! Dein Kind! Deine Schuld!
    Alle Frauen, die sich ihren Männern ganz opfern, die ihnen alles abnehmen, alles verzeihen, alles dulden – erlebeneinmal diese Stunde: ihr Werk kehrt sich gegen sie. Das Geschöpf wendet sich gegen den Schöpfer, sanftes Gewährenlassen und Güte werden zur Schuld.
    Sie hörte ihn weitersprechen, aber sie achtete kaum noch auf seine Worte. Sie sah, wie die Lippen sich öffneten und schlossen, sie sah die Linien, die Falten des Gesichtes kommen und gehen: Es war einst glatt gewesen, da sie zum erstenmal hineingeschaut hatte; neben ihr, bei ihr, mit ihr, durch sie war es das Gesicht geworden, das es nun war.
    Seine Stimme klang lauter an ihr Ohr; sie verstand wieder, was er sagte.
    »Du redest immer von Vertrauen«, erklärte er vorwurfsvoll. »Ich habe doch wahrhaftig Vertrauen genug bewiesen. Seit Wochen habe ich dich hier allein gelassen, ich habe dir das ganze Gut anvertraut. Schließlich bin doch ich der Pächter …«
    Plötzlich lächelte sie. »Ja, ja, du bist der Pächter, Achim!« spottete sie leise. »Du bist der Herr, und du hast deine arme, schwache Frau sich ganz allein überlassen … Reden wir im Augenblick nicht weiter von der Sache. Laß meinethalben auch das Auto noch hier, man muß alles bedenken. Ich möchte diese Dinge noch gründlich mit Herrn von Studmann besprechen, vielleicht auch bei Papa einmal auf den Busch klopfen …«
    Wieder falsch! Immer wieder verkehrt gemacht! Sobald sie

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