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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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nach einem Tage ganz unbeachtet im Hause herumstanden, hatte den Rittmeister vorsichtig gemacht – er begnügte sich mit dem eigenen Lachen. Wenn etwas mitgebracht werden sollte, und man mag ein noch so verabschiedeter, weiß gewordener Reiteroffizier sein, man bringt den Frauen eine Kleinigkeit mit, so blieb er lieber vor einem Wäschegeschäft stehen und suchte etwas Seidenes oder eine Bagatelle mit Spitzen aus. Es war eine Wonne, so etwas zu kaufen. Jedesmal, wenn er in einensolchen Laden trat, war alles noch leichter und duftiger geworden, noch zarter in der Farbe. Man konnte solch Höschen in einer Hand zu einem leichten, winzigen Ball zusammenpressen, und dann breitete es sich, leicht knisternd, wieder aus. Das Leben mochte noch so grau und trostlos geworden sein, Frauenschönheit schien immer leichter, zärtlicher, unirdischer zu werden. Solch ein Büstenhalter nur aus Spitzen – der Rittmeister konnte sich noch sehr gut an die grauen Drillichkorsetts der Vorkriegszeit erinnern, in die der Gatte die Gattin einzuschnüren hatte, als zügle er ein widerspenstiges Pferd!
    Oder aber der Rittmeister ging in ein Delikatessengeschäft – und das Geld mochte noch so wertlos geworden sein, hier standen alle Fächer brechend voll: grüner Spargel aus Italien, Artischocken aus Frankreich, Mastgänschen aus Polen, Helgoländer Hummer, Kukuruz aus Ungarn, englische Jams – die ganze Welt gab sich hier ein Stelldichein. Selbst der Kaviar aus Rußland war wieder da – und die seltenen, knappen Devisen, die man nur aus »Freundschaft« und sinnlos teuer bekam, hier konnte man sie zentnerweise aufessen – vollkommen rätselhaft!
    Der Rittmeister hatte nach seiner Aussprache mit Studmann noch reichlich Zeit, so bummelte er wieder einmal den alten Weg. Aber die Freude wurde ihm diesmal vergällt: es ging auf der Friedrichstraße zu, wie man sich etwa einen morgenländischen Basar vorstellte. Fast Mann an Mann standen sie an den Hauswänden und auf dem Rande des Gehsteigs: Händler, Bettler, Dirnen. Junge Leute klappten Handkoffer auf, in denen geschliffene Parfümflaschen sanft glänzten. Hosenträger schwenkte ein anderer, johlend, schreiend. Eine Frau, zottig und schmierig, hantierte mit endlos langen, schimmernden Seidenstrümpfen, die sie den Herren mit einem frechen Lächeln anbot: »Wat for de Kleene, Herr Jraf. Ziehen Sie se ihr bloß an, und Sie werden schon sehen, wat Sie for Spaß haben for dat lumpije bißken Papier, Herr Jraf –!«
    Ein Schupo kam in Sicht, verdrossen ausschauend unterseinem lackierten Landwehrtschako. Pro forma wurden die Koffer zugeklappt und waren schon wieder offen, kaum war er zwei Schritte weiter. An den Hauswänden saßen, hockten, lagen Bettler, alles Kriegsverletzte, glaubte man den Schildern, die sie trugen. Doch waren so junge darunter, daß sie im Kriege noch zur Schule gegangen sein mußten, und Greise, die sicher schon vor dem Kriege invalide gewesen waren. Blinde plärrten trostlos monoton, Schüttler schüttelten Kopf oder Arme, Wunden waren zur Schau gestellt, schreckliche Narben leuchteten feurig aus einem grauen, schuppigen Fleisch.
    Aber am schlimmsten waren die Mädchen. Überall strichen sie herum, riefen, flüsterten, hängten sich bei jedem ein, liefen mit, lachten. Manche waren schon jetzt angetrunken, und alle – wegen Hitze und Geschäft – waren so weit entblößt, daß es kaum erträglich war. Ein Markt von Fleisch – fettem, weißem, von Likören aufgeschwemmt; und hagerem, dunklem, das die scharfen Schnäpse verbrannt zu haben schienen. Aber am schlimmsten waren die völlig Schamlosen, die fast Geschlechtslosen: die Morphinistinnen mit dem scharfen Stecknadelkopf der Pupille, die Schnupferinnen mit der weißen Nase und die Kokainspritzerinnen mit den Schreistimmen aus hemmungslos zuckenden Gesichtern.
    Sie wippten umher, sie schlenkerten ihr Fleisch in den weit ausgeschnittenen oder raffiniert durchbrochenen Blusen. Wenn sie auswichen oder um eine Ecke gingen, rafften sie die Röcke, die an sich nicht bis zum Knie reichten, und zeigten den Streifen fahlweißen Fleisches zwischen Strumpf und Hose, unter dem das grüne oder rosa Strumpfband lief. Sie tauschten ungeniert ihre Bemerkungen über die vorübergehenden Männer, warfen sich Zoten über die Straße zu, und ihre gierigen Augen suchten in der langsam an ihnen vorübertreibenden Menge die Ausländer, in deren Taschen Devisen zu erhoffen waren.
    Und zwischen Laster, Elend und Bettelei, zwischen Hunger,

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