Wolf unter Wölfen
Rittmeister einen Platz ganz vorne im Zug in einem Raucherabteil Zweiter, er setzte sich bequem in eine Ecke und brannte sich eine neue Zigarette an. Alles in allem: es war ein gutes Tagewerk, das er vollbracht hatte. Morgen konnte die Ernte richtig anfangen.
Rumpelnd und pustend kam der Zug endlich in Gang, fuhr aus der traurigen, verrußten, verlotterten Halle mit ihren zerschlagenen Scheiben. Der Rittmeister wartete nur, daß der Schaffner vorbei war, dann wollte er ein Schläfchen machen.
Schließlich kam der Schaffner, knipste die Karte und gab sie dem Rittmeister zurück. Aber er ging noch nicht, wie wartend blieb er stehen.
»Nun?« fragte der Rittmeister schläfrig. »Ein bißchen heiß draußen, was?«
»Sind Sie nicht der Herr«, fragte der Schaffner, »mit den polnischen Schnittern?«
»Jawohl«, sagte der Rittmeister und richtete sich grader auf.
»Dann wollte ich Ihnen nur melden«, sagte der Schaffner (eine Spur schadenfroh), »daß die Leute alle gleich wiederauf dem Schlesischen Bahnhof ausgestiegen sind. Ganz klammheimlich.«
»Was?!« schrie der Rittmeister und sprang an die Abteiltür.
6
Der Zug fuhr schneller und schneller. Er tauchte in den Tunnel, der erleuchtete Bahnsteig blieb hinten.
Wolf Pagel saß auf dem Löschkasten des überfüllten Raucherwagens, brannte sich eine Lucky strike aus dem Päckchen an, das er eben aus dem Erlös für ihr ganzes Hab und Gut erstanden. Er tat einen tiefen Zug.
»Oh, schön, schön!« Die letzte Zigarette hatte er in der vergangenen Nacht auf dem Heimweg vom Spiel geraucht, um so besser schmeckte diese, fast zwölf Stunden später. Lucky strike hieß ja wohl, wenn ihn sein Schulenglisch nicht ganz im Stich ließ, soviel wie Glücksschlag, Glückstreffer – diese glückverheißende Zigarette sollte für den ganzen Tag von prophetischer Bedeutung sein!
Der Dicke da schnauft cholerisch, raschelt mit der Zeitung, schießt unruhige Blicke – das hilft dir alles nichts, wir wissen es allbereits auch schon: Der Dollar kommt heute mit siebenhundertsechzigtausend, über fünfzig Prozent Aufschlag. Der Zigarettenonkel wußte es gottlob noch nicht, sonst hätten wir uns diese Zigarette nicht leisten können. Du hast auch falsch gelegen, Dicker, dein Schnaufen verrät dich, du bist empört! Aber das hilft dir nichts. Dies ist eine ganz großartige, völlig moderne Nachkriegserfindung: man stiehlt dir die Hälfte des Geldes, das du in der Tasche hast – und rührt die Tasche und das Geld doch nicht an – ja, Köpfchen! Köpfchen!
Nun fragte sich, ob Freund Zecke richtig oder falsch gelegen hatte. Hatte er falsch gelegen, würde er etwas schwer hören (obwohl nicht einmal das sicher war); kam ihm die neue Entwertung aber zupaß, würde es ihm auf eine HandvollMillionenscheine nicht ankommen. Seit ein paar Tagen gab es sogar Zweimillionenscheine – Pagel hatte sie im Spielklub gesehen. Sie waren mal wieder richtig auf beiden Seiten bedruckt, sahen aus wie Geld, nicht diese einseitig bedruckten, weißen Fetzen – die Leute sagten schon, das solle nun für ewig der höchste Schein bleiben. Sagten – wegen solcher Sage schnauft der Dicke, hatte an Sagen geglaubt.
Es war kaum anzunehmen, daß Zecke falsch gelegen hatte. Solange Pagel denken konnte, hatte Zecke stets richtig gelegen. Nie hatte er sich in der Beurteilung eines Lehrers geirrt. Er hatte gradezu eine Vorahnung dafür gehabt, was für Fragen gestellt werden würden, welche Themen bei der Examenarbeit »dran« kamen. Im Kriege war er der erste gewesen, der ein großartiges Urlaubersystem zur Verteilung von Salvarsan auf dem Balkan, in der Türkei eingerichtet hatte. Und als dies Geschäft faul zu werden anfing, war er wiederum der erste gewesen, der, ehe er es ganz aufgab, die Salvarsanpackungen mit irgendeinem Dreckzeug füllte, einer Mischung aus Sand und Scheibenhonig vermutlich. Dann hatte er Chanteusen und Diseusen achter Güte an den Bosporus exportiert. Eine liebliche Pflanze also, alles in allem, einerseits horndumm, andrerseits von einer messerscharfen Schlauheit. Nach dem Kriege hatte er sich auf Garn gelegt – weiß der Himmel, was er jetzt handelte! Es kam ihm nicht darauf an – er würde mit Elefantenbullen schieben, wenn damit Geld zu verdienen war!
Eigentlich, dachte man über diesen Mann und sogenannten guten Freund Zecke genau nach, war nicht einzusehen, warum er einem Geld geben sollte – Pagel gab es sich plötzlich zu. Er hatte bisher auch noch nie den Versuch gemacht, ihn
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