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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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rüden Ton angewöhnt (ihrer Großmutter kam wohl manchmal eine Ohnmacht an!) – aber was war das gegen dieses Elend, diese Schamlosigkeit, diese Sittenverderbnis, die sich am hellerlichten Tage in Berlin breitmachten?! Der Rittmeister Joachim von Prackwitz war so, und er blieb auch so, er hatte gar nicht die Absicht, in dieser Hinsicht sich zu ändern: eine Frau war aus feinerem Stoffe gemacht als ein Mann, etwas Zartes, zu Verwöhnendes. Diese Mädchen da auf der Friedrichstraße – ach, das waren doch keine Frauen mehr. Ein wirklicher Mann konnte nur mit Schaudern an sie denken!
    In Neulohe hatten sie einen Garten, sie saßen abends in diesem Garten. Der Diener Hubert brachte Windlichter und eine Flasche Mosel, allenfalls sandte noch das Grammophon mit »Bananen, ausgerechnet Bananen!« eine großstädtische Welle in das Blättergeriesel und Blütengedufte. Aber die Frauen waren bewahrt. Rein, sauber.
    Man konnte doch wahrhaftig nicht mehr mit einer Dame über die Friedrichstraße gehen, besonders dann nicht, wenn die Dame die eigene Tochter war! Und zu denken, daß ein herrlicher Kerl wie Studmann dieses Pack da von der Straße irgendwie beglücken wollte, sich irgendwie mit ihnen gleichstellen, und sei es nur, weil er wie die Geld verdienen mußte! Nein, danke schön. Daheim in Neulohe konnte man es vielleicht übertrieben finden, wenn die »Deutsche Tageszeitung« Berlin ein Sündenbabel, einen Asphaltsumpf, ein Sodom und Gomorrha nannte. Aber roch man nur einmal hinein, fand man, alles war noch viel zu schwach. Nein, danke! –
    Und der Rittmeister hatte sich so weit beruhigt, daß er sicheine Zigarette ansteckte und zufrieden über das vollbrachte Geschäft und die baldige Heimkehr dem Bahnhof zufuhr.
    Freilich trank er dort erst einmal im Wartesaal ein paar kräftige Kognaks, denn er hatte das ziemlich sichere Gefühl, daß die Besichtigung seiner neugeworbenen Schnitter kein reines Vergnügen sein werde. Aber dann war es gar nicht so schlimm. Eigentlich das übliche, die Gesichter vielleicht noch ein bißchen frecher, roher, schamloser als sonst – aber was hieß das! Wenn sie nur arbeiteten, die Ernte reinbrachten! Sie sollten es nicht schlecht bei ihm haben, anständiges Deputat, alle Woche einen Schlachthammel, einmal im Monat ein Fettschwein!
    Nur der Vorschnitter war genau die Sorte Mensch, die dem Rittmeister völlig verhaßt war – Marke Radler: unten treten, oben buckeln. Er schwänzelte um den Rittmeister, sprudelte einen Schwall halb deutscher, halb polnischer Worte heraus, die Kraft und Tüchtigkeit seiner Leute priesen, und trat dabei unversehens ein Mädchen in den Hintern, das nicht schnell genug mit seinem Packen durch die Tür kam.
    Übrigens stellte es sich, als der Rittmeister den Sammelfahrschein lösen wollte, heraus, daß der Vorschnitter nicht fünfzig, sondern nur siebenunddreißig Leute gebracht hatte. Aber auf eine Frage des Rittmeisters schüttete er wieder eimerweise wirre Redensarten aus, die immer polnischer und unverständlicher wurden. (Natürlich hat Eva ganz recht, ich hätte Polnisch lernen sollen, aber ich denke gar nicht daran –!) Der Vorschnitter schien etwas zu beteuern, er spannte den Oberarmmuskel und funkelte den Rittmeister lachend, schmeichlerisch mit kleinen, mäuseflinken, schwarzen Augen an. Schließlich zuckte Prackwitz die Achseln und löste den Schein. Siebenunddreißig waren besser als nichts, und jedenfalls waren es gelernte Landarbeiter.
    Dann kam der lärmende, schreiende Auszug auf den Bahnsteig; die Verfrachtung in den schon bereitstehenden Zug; der schimpfende Schaffner, der ein die Tür sperrendesBündel in den Wagen stopfen wollte, während es samt seiner Trägerin von drinnen wieder herausgeschoben wurde; der Streit zweier Burschen; die wilden Gestikulationen und Rufe des Vorschnitters, der dazwischen ununterbrochen auf den Rittmeister einredete, um seine dreißig Dollar bat, forderte, bettelte …
    Der Rittmeister meinte zuerst, zwanzig genügten, da ja ein Viertel der Leute fehle. Sie fingen an, hitzig zu rechnen, und schließlich zählte, müde der Streiterei, der Rittmeister dem Vorschnitter drei Zehndollarscheine in die Hand, nachdem auch der letzte Mann seinen Platz gefunden hatte. Jetzt floß der Vorschnitter über vor Dank, verbeugte sich, trat hin und her und brachte es schließlich wirklich fertig, die Hand des Rittmeisters zu erhaschen und inbrünstig zu küssen: »Marjosef! Heiliger Wohltäter!«
    Etwas angeekelt suchte sich der

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