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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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keinem Leutnant, er sagt halblaut: »Machen Sie, daß Sie weiterkommen!«
    Der Leutnant aber bleibt stehen. Er ist noch finsterer geworden, er spricht den Posten von neuem an, er fragt höhnisch: »Nun, Kamerad, bist du so fein geworden, daß du mich nicht mehr kennst?«
    Der Mann verzieht das Gesicht nicht, er scheint nichts gehört zu haben, er geht vorbei, ohne ein Wort. Als er aber sechs Schritte gegangen ist, muß er kehrtmachen, er geht wieder auf den Leutnant zu. Diesmal sagt der Leutnant: »Höre, Mensch, ich habe nichts zu rauchen. Schenk mir eine Zigarette, und ich gehe sofort weiter.«
    Der Mann wirft einen raschen Blick nach links. Die kleine Tür für Fußgänger steht offen, man sieht ein Stück Kiesweg und die Fenster des Wachtraums, dann sieht er nach rechts zu dem Leutnant hin. Das Gesicht des Leutnants trägt einen schwer zu enträtselnden Ausdruck aus Hohn, Verzweiflung, Angst. Der Posten wird aus diesem Gesicht nicht klug, aber es hat etwas Warnendes, Drohendes, sonst hätte er es vielleicht doch gewagt und dem Leutnant eine Zigarette geschenkt. So aber geht er wortlos vorüber, macht beim Schilderhaus kehrt. Eine Ahnung läßt ihn den Karabiner von der Schulter nehmen, nun geht er wieder auf den Leutnant zu.
    Der Leutnant ist ganz im Banne seiner wilden, zu allem entschlossenen Verzweiflung. Es ist ihm ja nun längst klar, daß die Reichswehr nichts mehr von ihnen wissen will, daß da strengste Befehle erlassen sind, sich nicht mehr mit diesen Außenseitern abzugeben. Aber er will unter allen Umständen erreichen, daß der Mann sich mit ihm einläßt, er will Streit mit ihm bekommen, er will in die Kaserne gebracht werden, seinethalben als Festgenommener. Dann kann er den Offizier vom Wachtdienst fragen: »Was habt ihr gegen uns?« – Und wenn er dann etwas von einem Waffenlager hört … Nun gut! Erledigt –! Er-ledigt!!!
    Es ist ein vollkommen wahnsinniger Gedanke, der ihn da besessen hält. Als wenn der Offizier vom Wachtdienst geneigt wäre, einem Festgenommenen Auskünfte zu erteilen, die den freien Kameraden verweigert werden!
    Aber der Leutnant ist eben nicht mehr verständig, er hat einen ganz richtigen Gedanken gehabt, als er meinte, die Zellen in ihm seien erkrankt. Er läßt dieses Mal den Posten unangefochten an sich vorbei, während der ihm aber den Rücken dreht, brennt er sich eine Zigarette an. Qualmend blickt er dem rückkehrenden Mann entgegen; er freut sich über den verblüfften, etwas dämlichen Ausdruck auf dem Gesicht, das den Leutnant rauchen sieht, der eben noch um eine Zigarette bat. Der Leutnant streckt ihm eine zweite Zigarette hin und sagt: »Hier, Kamerad, hast du eine Zigarette von mir, weil du keine für mich hast.«
    Der Mann bleibt stehen, er sagt entschlossen: »Gehen Sie jetzt, oder ich rufe die Wache.«
    »Ich gehe erst«, erklärt der Leutnant, »wenn du die Zigarette genommen hast.«
    Der Mann sieht ihn schweigend an, er greift nicht nach der Zigarette, aber er hebt den Karabiner etwas an. Schließlich sagt er zuredend: »Seien Sie doch vernünftig! Gehen Sie jetzt!«
    Auch der Leutnant möchte den andern überreden. »Kamerad«, sagt er, »nimm die Zigarette. Tu mir den Gefallen und nimm sie. Bloß, daß ich sehe, du bist noch mein Kamerad. Da!« Er hält sie ihm hin. Dann setzt er drohend hinzu: »Wenn du sie nicht nimmst, muß ich dir in die Fresse schlagen.«
    Der Mann sieht ihn ernst, beobachtend, abwartend an. Er macht keinerlei Anstalten, die Zigarette zu nehmen, er wartet, was der Leutnant tun wird.
    In dem Leutnant entsteht plötzlich ein Gedanke, der ihn fast rasend vor Wut macht. »Ach!« ruft er. »Du denkst wohl, ich bin besoffen –?! Ich werde dir zeigen, wie besoffen ich bin …«
    Er läßt die Zigarette fallen, und im gleichen Augenblick stößt er die Faust direkt gegen das Gesicht des Soldaten.
    Aber weiß es der Himmel – der Leutnant, sonst ein so geschickter Boxer, hat heute keinen guten Tag. Hölzern prallt die Faust auf das Holz des Karabinerschaftes. Ein brennenderSchmerz durchzuckt Hand und Arm, dann trifft ihn der Kolben mit aller Gewalt vor die Brust, rücklings taumelnd fällt der Leutnant – es ist ihm, als könne er nie wieder atmen.
    Doch wie er so daliegt, um Luft kämpfend, immer den achtsamen Blick des Postens auf sich, als sei er ein wildes Tier, eine Art reißender Wolf, den man nicht aus dem Auge lassen darf – wie er bedenkt, daß der Posten ihn nun doch nicht festgenommen hat, nicht in die Kaserne gebracht hat,

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