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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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vielleicht denkt er jetzt an die blauschwarzen Flecke auf des Leutnants Körper. Aber der Leutnant sagt nichts. Der Wirt meint bittend: »Sie glauben doch auch nicht, Herr Leutnant, daß es morgen
ernstlich
was geben könnte –?«
    »Ernstlich
was
geben könnte –?«
    »Na, ich meine bloß – ernstlich. – Kämpfe, Schießen und so was – dann würde ich nämlich meinen Jungen nicht mitgehen lassen …«
    »I wo!« lacht der Leutnant herzlich. »Was bilden Sie sich denn ein? Kämpfen, Schießen – so was gibt’s doch gar nicht mehr! So ein Putsch ist eine höchst vergnügte Sache! Heldentod gibt’s auch nicht mehr, Heldentod ist seit 18 abgemeldet …« Er bricht plötzlich ab, wie angeekelt.
    Der Wirt erklärt ernsthaft: »Ich weiß nicht, ob Sie im Ernst reden. Aber ich frage ganz im Ernst, Herr Leutnant. Weil ichnämlich bloß den einen Jungen habe. Wer soll denn die Kneipe übernehmen, wenn dem was passiert? Man will doch auch nicht umsonst gearbeitet haben in seinem Leben! Sie hätten die Kneipe mal sehen sollen, wie ich sie vor zwanzig Jahren gekauft habe – ein Hundeloch! Und jetzt! Nein, wenn ich wüßte, es könnte was Ernstliches geben – dafür wäre mir mein Junge zu schade. Aber sonst soll er gerne mitgehen – es ist auch gut fürs Geschäft, weil wir viel Stammgäste vom Militär haben.«
    Der Leutnant versichert noch einmal, daß alles in Ordnung und ganz ungefährlich ist. Er verspricht noch einmal, die Windjacke am Abend rechtzeitig zurückzuschicken – und nun geht er weiter. Er weiß, er hat den Wirt belogen, aber das macht nichts. Auf ein bißchen weniger oder mehr Lüge kommt es nun auch nicht an. Aus der Nähe betrachtet, ist es zum Kotzen, aus welchen Gründen solche Leute mitmachen, aber für Herrn Richter ist es aus der Nähe betrachtet vielleicht auch zum Kotzen, aus welchen Gründen der Leutnant mitmacht. Die seltsame Erkrankung des Hirns, die Schwächung seines Selbstgefühls hat schon solche Fortschritte gemacht, daß der Leutnant dies einsieht.
    Die kurze Rast in der Kneipe, die zwei Schluck Bier haben ihm gutgetan. Er schreitet nun schneller aus, er kommt bald in die kleine Villenstraße, die sein Ziel ist. Die Hecken und Bäume um die Villen sind schon durchsichtiger belaubt: der Leutnant geht rasch, er hat die Mütze deckend in die Stirn gezogen, er würde hier nicht gerne gesehen und erkannt werden, wo soviel Offiziere wohnen.
    Die Villa, in die er will, bewohnt ein Oberst, ein aktiver Oberst von der Reichswehr. Nach seiner gesellschaftlichen Stellung könnte der Leutnant gut und gerne den Klingelknopf drücken, um den eine Inschrift läuft: »Nur für Herrschaften«. Aber der Leutnant drückt diesen Knopf nicht, er geht zehn Schritt weiter, bis zu einer kleinen eisernen Gartentür mit dem Schild »Für Lieferanten«. Er stößt die Tür auf, er geht einen fliesenbelegten Gang – der Herrschaftswegist schwarzweiß gekiest – um die Villa herum zu ihrer Hinterfront, dorthin, wo Teppichstange und Mülltonnen stehen. Er steigt auch nicht wie die Herrschaften fünf Stufen hinauf in die Beletage mit den Spiegelscheiben, sondern fünf Stufen abwärts in das Souterrain mit Traljen vor den Fenstern, er geht den Küchenweg …
    Der Leutnant hat immer an den Satz geglaubt, daß der Zweck die Mittel heiligt. Er hat sich nie geschämt, aus dem früher ganz ordentlichen Mädchen Frieda eine liederliche Hausspionin zu machen, denn er hat dadurch schon manchmal Interna aus der Garnison erfahren, die zu wissen recht nützlich war. Wenn er dieses Mal den Weg sehr viel unlustiger als sonst geht, so liegt das nicht nur daran, daß ja seine ganze Gemütsverfassung nicht gerade rosig ist, sondern vor allem daran, daß er diesen Weg bisher noch nie bei Tageslicht gemacht hat. Ein anderes Gesicht tragen unsere Taten bei Tag, ein anderes bei der Nacht. Der Oberst oben in der Beletage hat zwei Töchter, der Leutnant hat sogar mit diesen Töchtern schon getanzt; es wäre ihm sehr peinlich, wenn ihn diese Töchter beim Besuch im Küchenrevier sähen. Nicht seiner Taten schämt sich der Leutnant, aber er schämt sich, bei seinen Taten gesehen zu werden!
    Der Leutnant hat Glück: Als er in den Gang tritt, begegnet er niemand anderem als dem Mädchen Frieda. Sie kommt aus ihrem Zimmer, Handfeger und Kehrichtschaufel in der Hand.
    »Tag, Friedel!« grüßt der Leutnant.
    Die Friedel, etwa zwanzig Jahre, vollbusig, von jener etwas robusten ländlichen Schönheit, von der mit dem fünfundzwanzigsten

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