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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Jahre jede Spur verschwunden ist, schreckt ein wenig zusammen. »Bist du das, Fritz?« fragt sie. »Kommst du jetzt auch am Tage? Ich habe aber keine Zeit für dich.«
    Dabei stellt sie doch Schaufel und Handfeger an den Rand des Ganges.
    »Na, Friedel?« fragt der Leutnant etwas lahm. »Freust du dich denn gar nicht, daß ich gekommen bin –?«
    Sie macht keine Anstalten, ihm näher zu kommen, ihn indie Arme zu nehmen, zu küssen wie sonst. Sonst hat sie gestrahlt, wenn sie ihren Leutnant sah. Wer weiß, was das Mädel sich alles eingebildet hat! Eine hingebende Verliebtheit, demütige Willigkeit. Und jetzt –?
    Jetzt sagt die Friedel recht schnippisch: »Das habe ich schon den ganzen Morgen gewußt, daß du heute kommen würdest!«
    »Nanu!« spielt der Leutnant den Verwunderten. »Hast du jetzt Ahnungen? Du hast wohl von mir geträumt, Frieda? Ja, mir war so … Ich denke, siehst doch mal nach der Friedel …«
    Es ist zum Verzweifeln, der Leutnant kann sich keinen Schwung geben. Er sieht das Mädchen an, er sieht es recht mit Absicht an. Jawohl, es ist ein Mädchen, es hat eine angenehme Brust, kräftige Hüften, schöne Beine mit ein wenig zu derben Knöcheln … ach, es wird nichts, er kommt nicht in Gang! Es ist irgendein beliebiges Frauenzimmer, völlig gleichgültig – und so dumm ist die Friedel nun doch nicht, das merkt sie auch!
    Spöttisch sagt sie: »So, dir war so, Fritz?! Du hast wohl auch was läuten gehört, daß ihr hinten runtergerutscht seid mit eurem Putsch, und nun willst du ein bißchen horchen bei deiner Friedel, was?«
    »Hinten runtergerutscht, wieso?« fragt er und hofft, sie wird ins Sprechen kommen.
    »Tu nur dumm!« ruft sie zornig. »Du weißt ganz gut Bescheid. Schiß hast du, darum bist du zu mir gekommen, ein Schisser bist du! Wie ich heute früh gehört habe, was der Oberst der gnädigen Frau erzählt hat, da habe ich mir gleich gesagt: Woll’n mal sehen, Friedel. Wenn er heute kommt, dann kommt er nicht deinetwegen, Friedel. Dann kommt er bloß, um zu horchen, dann bist du bloß sein Spion. Und siehst du, noch keine zwei Stunden, und schon bist du da. Und du willst mir einreden, dir war so!«
    Sie sieht ihn zornig, verächtlich an, sie schnauft ein bißchen, ihre starke Brust bewegt sich heftig, der Leutnant sieht es.
    So können wir nicht weiterreden, denkt der Leutnant verlorenund betrachtet die atmende Brust. Ich muß ja erfahren, was der Oberst seiner Frau gesagt hat …
    Und ganz plötzlich geht er ohne ein Wort an dem Mädchen vorbei, er geht in ihr Zimmer, in ihre Kammer –. Das Bett ist noch nicht gemacht, aufgeschlagen liegt es dort, hier hat sie gelegen, hier hat sie geschlafen …
    »Nun will ich dir zeigen, wie mir ist«, sagt er hastig und nimmt das Mädchen einfach in die Arme. Er kümmert sich nicht um ihr Sträuben, er hat nie auf die Abwehr der Mädchen geachtet, das ist alles bloß jüngferliche Zimperlichkeit, Anstellerei! Sie hat die Fäuste gegen seine Brust gestemmt, gegen die schmerzende Brust, aber er deckt ihr Gesicht mit dem seinen zu, er legt seinen Mund auf ihren, der sich fest, abweisend schließt. Aber er küßt, er küßt sie …
    Jetzt küsse ich noch, denkt er verloren. Gleich wird sie nachgeben, ihre Lippen werden sich öffnen – und dann muß ich sterben. Durch mein Küssen kommt es, daß ich sterben muß, durch mein Küssen wird sie plaudern, sie wird mir alles erzählen –. Und dann muß ich hingehen in den Schwarzen Grund und muß tun, was ich der Violet gesagt habe – »verdammte Violet –!«
    Ohne es zu wissen, hat der Leutnant den Namen der Verhaßten laut gesprochen, schon hatte er vergessen, daß er ein Mädchen küßte, er hatte sie nur noch lose im Arm gehalten.
    Mit einer wilden Kraft fühlt er sich zurückgestoßen, er fällt polternd gegen den Schrank.
    »Mach, daß du rauskommst!« ruft das Mädchen zornig. »Du Lügner, du! Ich soll für dich spionieren, und du denkst dabei an andere –?!« Sie atmet heftig.
    Der Leutnant steht mit einem verlorenen, verlegenen Lächeln am Kleiderschrank. Er macht keinen Versuch mehr, sich zu erklären, sich zu rechtfertigen.
    »Na ja, Friedel«, sagt er schließlich, immer mit demselben verlegenen Gesicht. »Es ist schon eine komische Welt. Du hast ganz recht. Auf der Schule haben wir schon so was gelernt: nemo ante mortem beatus oder so ähnlich, ich weißnicht mehr genau. Das heißt: Niemand ist vor seinem Tode glücklich zu preisen, und niemand weiß auch vor seinem Tode, was er

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