Wolf unter Wölfen
anzupumpen. Aber da war nun eben das andere Gefühl in der Wolfgang Pagelschen Brust, das Gefühl, daß Zecke jetzt »reif« war, daß er es unbedingt tun würde. Ein Spielerkompaß gewissermaßen, ein Signal, das plötzlich gezogen wurde, der Henker wußte, warum. Unbedingt würde er Geld geben. Es gab solche Augenblicke im Leben. Plötzlichtat man, was man gestern noch um keinen Preis getan hätte. Und aus dem, was man getan hatte, folgte ganz von selbst wieder etwas anderes – zum Beispiel gewann man heute abend eine Riesensumme – und nun veränderte sich plötzlich alles! Das Leben lief in einem Winkel zu der bisherigen Bahn weiter. Man konnte sich zwanzig Mietshäuser in der City kaufen (die Buden waren für einen Dreck zu haben) oder eine Riesenbar aufmachen (achtzig Mädchen hinter dem Bartisch) – noch gar keine schlechte Idee! –, oder man brauchte auch einmal gar nichts zu tun, konnte sich auch einmal hinsetzen und die Daumen drehen, sich richtig ausruhen, gut essen und trinken und sich an Peter freuen. Oder, besser noch, ein Auto kaufen und mit Peter durch die Welt fahren! Ihr alles zeigen, Kirchen, Bilder, eben alles, das Mädchen hatte Entwicklungsmöglichkeiten – aber selbstverständlich. Bestritt das etwa jemand –?! Er jedenfalls nicht, ein großartiges Mädchen, nie unbequem. (Oder fast nie.)
Fahnenjunker a. D. Wolfgang Pagel ist an der Podbielskiallee ausgestiegen und die paar Straßen bis zur Zeckeschen Villa hinuntergeschlendert. So richtig faul und gemächlich in der Hitze. Nun steht er vor dem Haus, das heißt vor dem Vorgarten natürlich, dem Garten, der Anlage, dem Park. Und nicht direkt davor, natürlich ist ein geschmiedetes Gitter da und irgendwelcher behauene Stein, in Säulenform aufgesetzt, sagen wir Muschelkalk. Ein ganz kleines Messingschild ist auch da, auf dem nichts weiter steht als »von Zecke«, und ein messingner Klingelknopf. Gut geputzt. Von dem Haus sieht man nicht viel, es steckt hinter Büschen und Bäumen, man hat nur so eine Ahnung von großen, spiegelnden Scheiben und einer nicht zu hohen, leicht gegliederten Fassade.
Pagel sieht sich die Bescherung an, er hat Zeit. Dann dreht er sich um und sieht die Villen auf der andern Straßenseite an. Pompös – hier also wohnen die Herrschaften, die um keinen Preis an einem Hinterhof beim Alexanderplatz wohnen könnten. Wolfgang Pagel hält sich für befähigt, beides zu tun,mal Dahlem, mal Alex, es kommt ihm nicht darauf an. Aber vielleicht, weil es ihm nicht darauf ankommt, wohnt er nicht in Dahlem, sondern in der Georgenkirchstraße.
Er macht wieder kehrt und betrachtet Schild, Knopf, Blumenbeete, Grün, Fassade. Rätselhaft bleibt, warum Zecke sich mit solchem Kram belastet. Denn so was ist eine Last. Ein Haus haben, eine Riesenvilla, einen halben Palast, der ewig was von einem verlangt: Steuern zahlen, rein machen lassen, elektrische Lichtleitung versagt, Koks muß gekauft werden – jedenfalls muß Zecke sich geändert haben. Früher hätte er auch gedacht: es ist eine Last. Als er ihn zum letzten Male sah, hatte Zecke zwei höchst elegante Junggesellenzimmer am Kurfürstendamm (mit Freundin, Telefonanschluß und Bad) – das paßte zu Zecke.
Dies nicht. Aber wahrscheinlich war er verheiratet. Jeder Quatsch, den man mit einem Manne erlebte, erklärte sich dadurch, daß er verheiratet war. Daß eine Frau da war. Nun ja, man würde sie ja wahrscheinlich zu sehen kriegen, und sie würde natürlich sofort erraten, daß dieser alte Freund ihres Mannes Geld pumpen wollte. Daraufhin würde sie ihn halb gereizt, halb verächtlich behandeln. Aber das konnte sie seinetwegen gerne tun, wer abends als Pari-Panther auf Raub ausging, war gegen Weiberlaunen völlig gefeit.
Pagel ist schon im Begriff, auf den Klingelknopf zu drücken – einmal muß man es ja tun, so angenehm es auch ist, hier faul in der Sonne zu stehen und an das viele schöne Geld zu denken, das er dem Zecke gleich abnehmen wird. Aber er erinnert sich grade rechtzeitig, daß er noch fast hunderttausend Mark in der Tasche trägt. Nun gibt es zwar den Satz, daß Geld zum Gelde will, aber in dieser Form ist der Satz nicht richtig. Er müßte heißen: viel Geld will zu viel Geld. Dafür aber kommt das, was Pagel in der Tasche trägt, nicht in Frage. Unter diesen Umständen ist es viel besser, er steht völlig blank vor Zecke. Unbedingt vertritt man ein Darlehnsgesuch überzeugender, wenn man nicht einmal das Fahrgeld nach Haus in der Tasche hat. Für diese
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