Wolf unter Wölfen
Quadrillionen und …«
»Machen Sie einen Punkt, Mensch!« schrie der Arzt. »Oder ich schlage Sie auf der Stelle mit meinem Perkussionshammer zur Erde! Wollen Sie all diese Schweinereien noch erleben? Sie haben ja einen Lebensappetit, junger Mann, davon kann einem übel werden! – Nein«, flüsterte er, »ich weiß es von einem Herrn auf der Bank – mit vierhundertzwanzig Milliarden wird der Dollar stabilisiert.«
»Ach, solches Gerede hört man seit einem halben Jahr«, sagte Pagel. »Ich glaube kein Wort davon.«
»Junger Mann«, erklärte der Arzt feierlich und funkelte Pagel durch die Brillengläser an. »Ich will Ihnen was sagen: An dem Tag, an dem der Dollar über vierhundertzwanzig Milliarden steigt, setze ich mir eine Maske auf und chloroformiere mich selbst aus dieser Welt heraus. Denn dann habe ich es dicke!«
»Also – wir sprechen uns wieder«, sagte Pagel.
»Nicht so, wie Sie denken!« schrie der Arzt zornig. »Ihr heutige Jugend seid ja ekelhaft! So was von Zynismus hatte zu meiner Zeit nicht mal ein hundertjähriger Greis!«
»Wann war denn eigentlich Ihre Zeit, Herr Doktor?« fragte Pagel grinsend. »Ziemlich lange her, was?«
»Ich habe Ihnen von dem Augenblick an mißtraut«, sagte der Arzt traurig und kletterte in seinen Opel-Laubfrosch, »als Sie mich so hundeschnäuzig fragten, wie lange der Mann wohl tot sein könnte …«
»Still doch, Doktor!«
»Na schön, in dem Punkt bin ich nun wieder zynischer. Das macht der Beruf. Gute Nacht. Und wie gesagt, wenn der Dollar nicht bei vierhundertzwanzig stabilisiert wird …«
»Dann warten wir noch ein bißchen länger!« hatte Pagel dem losfahrenden Arzt nachgeschrien.
Es wäre gut gewesen, wenn nun ein Kaffee auf dem Büro gewesen wäre, aber es würde natürlich diesmal keiner dasein. Amanda Backs war längst schlafen gegangen. Aber Pagel hatte die Amanda wieder einmal unterschätzt – der Kaffee stand auf dem Tisch. Aber leider war der Kaffee nun auch wieder nicht so, daß er ihn richtig munter gekriegt hätte, oder Pagels Müdigkeit war zu dick – jedenfalls saß er trostlos über seinen Büchern. Er kam nicht weiter, wollte ins Bett, wollte aber auch noch an seine Mutter schreiben und plagte sein Gewissen mit dem Satz: Wenn ich nicht zu müde bin, an Mama zu schreiben, darf ich auch nicht zu müde sein, meine Lohnbücher fertigzumachen.
Dieser alberne Satz, bar jeder Logik, dieser tiftlige Satz, die Ausgeburt eines übermüdeten Kopfes, plagte den jungen Pagel so hartnäckig, daß er weder zum Rechnen noch zum Schreiben, noch zum Schlafen kam. Schließlich versank er in einen Zustand quälenden Halbwachseins, dumpfer Benommenheit, in dem durch sein Hirn schreckliche Gedanken krochen, Zweifel am Leben, Zweifel an sich selbst, Zweifel an Petra –
»Zum Teufel!« rief Pagel und stand auf. »Jetzt springe ich aber lieber in den saukalten Schwanenteich des werten Geheimrats voller Entengrütze und nehme das klapprigste, kälteste Bad meines Lebens, als daß ich hier noch länger verdüst und verdöst herumsitze!«
In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Eine weibliche,rasche Stimme, die ihm bekannt und doch fremd vorkam, sagte an, Herr Pagel möge doch sofort in die Villa kommen, die gnädige Frau wünsche ihn zu sprechen.
»Komme sofort!« antwortete Pagel und hing an.
Was war das bloß für ein Weibsbild, das mit ihm gesprochen hatte? Die Stimme klang verstellt!
Er sah auf die Uhr. Es war drei Viertel elf. Ein bißchen reichlich spät für einen Mann, der um fünf, um halb fünf, um vier aufstand! Nun, es brannte wohl mal wieder da drüben! Die Sache mit dem Rittmeister war schiefgegangen, oder die gnädige Frau hatte doch endlich irgend etwas wegen Violet erfahren, oder sie wollte auch nur wissen, wieviel Kartoffeln grade heute gebuddelt waren – manchmal kam sie so etwas an! Sie war ja zuzeiten auch eine Tochter ihres Vaters, dann dachte sie, sie müsse den jungen Beamten kontrollieren.
Vergnügt pfeifend wanderte Pagel durch das Gut zur Villa hinaus. Obwohl er sofort zur gnädigen Frau kommen soll, macht er doch noch den Umweg über den Pferdestall. Verschlafen fährt die Stallwache hoch – aber es ist alles in bester Ordnung. Die Stute steht schon wieder in ihrer Box und sieht sich mit ihrem lebhaften Auge nach Pagel um. Das unglaublich langbeinige Fohlen schläft. Den Wachtmann schickt Pagel nunmehr auch schlafen.
In der Villa öffnet ihm die gnädige Frau selbst. Sie hat sich sehr verändert in den letzten
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