Wolf unter Wölfen
aber sie hörte es nicht genau, konnte es darum auch nicht verstehen …
Dafür konnte sie aber gehen, und sie ging langsam aus der hellen, heißen Schwüle auf das schwarze Loch zu. Dahinter kam der fast dunkle Flur mit »ihrer« Tür, sie brauchte nur einzutreten, zuzuschließen – und dann das Bett …
Aber sie ging vorüber, es war wie in einem Traum, ihre Glieder gingen anders, als der Kopf es ausdachte. Sie warf im Vorübergehen noch einen Blick in das Zimmer – das Bett hätte ich doch noch machen müssen, dachte sie, und schon war sie vorüber. Schon war die Eingangstür da, und sie machte sie auf, tat einen Schritt über die Schwelle und zog sie hinter sich wieder zu.
Das Helle rechts und links waren Gesichter von Nachbarinnen.
»Wat ist denn det for Krach bei Ihnen?« fragte die eine.
»Die haben Sie woll rausjeschmissen, Fräulein?«
»Jotte doch! Wie ’ne aufjewärmte Leiche!«
Aber Petra bewegte nur leise verneinend den Kopf. Sie durfte nicht sprechen, sonst wachte sie auf und saß wieder in der Küche, und sie stritten und schrien sie an … Leise, nur leise, sonst schwindet der Traum … Sie faßte vorsichtig das Geländer, sie trat eine Stufe tiefer – und sie kam wirklich tiefer. Es war eine richtige Traumtreppe, man kam auf ihr tiefer, nicht höher.
Dann stieg sie weiter hinab.
Sie mußte sich eilen. Oben hatten sie die Tür wieder aufgemacht, sie riefen irgend etwas hinter ihr her: »Mächen,mach doch keene Zicken! Wo willste denn hin, so nackig? Komm wieda ruff, de Ida vazeiht dir ooch …«
Petra machte eine verneinende Bewegung mit der Hand und stieg tiefer. Sie stieg und stieg – auf den Grund eines Brunnens. Aber unten war ein helles Tor – wie im Märchen. Es gab so ein Märchen, Wolfgang hatte es ihr erzählt. Und nun ging sie durch das helle Tor in die Sonne hinaus, durch Gänge, über sonnige Höfe … und nun war da die Straße, eine fast leere, sehr sonnige Straße –
Petra sah sie hinauf und hinunter – wo war Wolf?
3
Feldinspektor Meier – Negermeier – ist nun doch gleich nach dem Arbeitsanfang um eins draußen auf dem Zuckerrübenschlag gewesen. Es war genau, wie er es sich gedacht hatte: der Vogt Kowalewski hatte in seiner Schlappheit die Weiber nur so obenhin kratzen lassen, die Hälfte des Unkrauts saß noch fest in der Erde.
Sofort hatte sich der kleine Meier aufgepustet, war rot angelaufen und hatte zu schimpfen angefangen: »Verfluchte Schweinerei, rumstehen und mit den Weibern poussieren, statt die Augen aufzumachen, elender Schlappschwanz –« und so weiter, die ganze schon bekannte und bei jeder Unregelmäßigkeit wiederholte Tonleiter rauf und runter.
Leutevogt Kowalewski hatte den wütenden Sturzbach ohne ein Widerwort über sich ergehen lassen, den grauen, schon fast weißen Kopf gesenkt, und hatte dabei das eine oder andere jämmerliche Unkraut mit den eigenen Pfoten aus der staubigen, festen Erde gepult.
»Nicht grabbeln sollen Sie, sondern aufpassen!« hatte Meier geschrien. »Aber Sie grabbeln natürlich lieber!«
Eine völlig grundlose Verdächtigung des alten Mannes. Aber Meier hatte seinen Lacherfolg bei den Leuten und schlug sich in die Fichten. Dort änderte sich seine Truthahnrötesofort in die gewöhnliche Gesichtsfarbe – ein gesundes Rotbraun –, und er lachte, daß ihm der Bauch wackelte. Dem hatte er es gegeben, dem alten Trottel! Mindestens die drei nächsten Tage würde diese Abreibung mal wieder vorhalten! Das mußte man gelernt haben, vor Wut zu brüllen, ohne auch nur die Spur wütend zu sein, sonst machte man sich tot mit den Leuten.
Der Rittmeister, obwohl alter Offizier und Rekrutenabrichter, konnte das nicht. Der ärgerte sich, daß er schneeweiß wurde, daß er puterrot anlief, und war nach jedem solchen Ausbruch für vierundzwanzig Stunden völlig erledigt. Komische Nuß, großer Mann, wirklich!
Man durfte gespannt sein, mit was für Leuten er heute wiederkam, wenn er überhaupt welche brachte. Brachte er welche, waren sie natürlich ausgezeichnet, weil er, der Herr Rittmeister, sie verpflichtet hatte – und er, Meier, mußte sehen, wie er mit ihnen zurechtkam. Klagen ausgeschlossen.
Nun, es würde schon gehen. Er, der kleine Meier, war noch immer mit allen großen Männern zurechtgekommen, die Hauptsache blieb, daß ein paar nette Mädchen dabei waren. Amanda war ja soweit ganz gut, aber so ’ne Polenmatka hatte doch noch immer ganz andere Rasse und Feuer, und – vor allem – sie setzte sich nie was in den
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