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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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hoffnungsvoll.
    »Bloß, sie sind ihm schon wieder durch die Lappen gegangen, wird wohl wieder mal ein bißchen zuviel kommandiert haben! Weiß ich nicht, versteh ich auch nicht, meine Enkelin, die Violet, war am Apparat. Er sitzt in Fürstenwalde fest –verstehen Sie das!?! Seit wann ist denn Fürstenwalde Berlin geworden?«
    »Dürfte ich mir die Frage erlauben, Herr Geheimrat«, sagte der kleine Meier mit all der Höflichkeit, die er für Vorgesetzte und Höhergestellte stets bereithielt, »soll ich nun heute abend Wagen zur Bahn schicken oder nicht?«
    »Keine Ahnung!« sagte der Alte. »Ich werde euch in eure Wirtschaft reinreden, das möchtest du wohl, mein Sohn. Daß ihr nachher bei euren Fehlern sagt, ich hab das angeordnet! Nee – fragen Sie man die Violet! Die weiß es. Oder weiß es auch nicht. Bei eurer Wirtschaft weiß man das nie!«
    »Jawohl, Herr Geheimrat!« sagte der artige Meier.
    (Mit dem Alten muß man sich gutstellen. Wer weiß, wie lange es der Rittmeister bei
der
Pacht noch macht – und vielleicht übernimmt mich der Alte dann als Beamter.)
    Der alte Herr pfiff gellend auf zwei Fingern nach seinem Wagen. »Sie können mir noch die Knüppel auf die Karre geben«, sagte er gnädig. »Und wie stehen eigentlich eure Zuckerrüben? Ihr hackt wohl jetzt erst? Wachsen nicht, wie? Da habt ihr Helden wohl das schwefelsaure Ammoniak ganz vergessen, wie, was? Ich wart und wart, keiner streut Dünger, ich denk, na laß sie, ein kluges Kind weiß alles von allein. Und lach mir einen Ast. Morgen, mein Herr!«

4
    Die schwüle Hitze im Polizeipräsidium Alexanderplatz konnte einen umwerfen. In den Gängen stank es nach gegorenem Urin, fauligem Obst, ungelüfteten, feuchten Kleidern. Überall standen Leute herum, graue Gestalten mit grauen, faltigen Gesichtern, erloschenen oder wild flackernden Augen. Die ermüdeten Polizisten waren stumpf oder gereizt. Rittmeister von Prackwitz, flammend vor Wut, hatte zwanzig Menschen fragen, Dutzende von Gängen laufen, endlose Treppen hinauf- und wieder hinuntersteigen müssen,bis er nun endlich, eine halbe Stunde später, in einem großen, unsauberen, riechenden Amtszimmer saß. Drüben, kaum ein paar Meter entfernt, rasselte die Stadtbahn vor dem Fenster, man hörte es mehr, als daß man es durch die grau verstaubten Scheiben sah.
    Von Prackwitz war nicht allein mit dem Beamten. An einem Nebentisch wurde von einem andern Beamten in Zivil ein bleichgesichtiger, großnasiger Bengel wegen irgendeines Taschendiebstahls befragt. An einem andern Tisch, im Hintergrund, steckten vier Männer die Köpfe zusammen und murmelten pausenlos miteinander. Es war nicht auszumachen, ob auch darunter »Verbrecher« waren, denn alle waren in Hemdsärmeln.
    Der Rittmeister hatte seinen Bericht gemacht, zuerst kurz, präzis, unter Zurückdrängung seines Ärgers, dann recht lebhaft und fast laut, als die Wut über seinen Hereinfall ihn doch wieder überwältigt hatte. Der Beamte, ein blasser, abgespannt aussehender Zivilist, hatte mit gesenkten Augen, ohne eine Zwischenfrage zugehört. Oder auch nicht zugehört, jedenfalls war er die ganze Zeit eifrig bemüht gewesen, drei Streichhölzer so aneinanderzustellen, daß sie nicht umfielen.
    Nun, da der Rittmeister fertig war, sah der Mann hoch. Farblose Augen, farbloses Gesicht, kurzer Schnurrbart, alles ein bißchen traurig, fast verstaubt, aber nicht unsympathisch.
    »Und was sollen wir dabei tun?« fragte er.
    Dem Rittmeister gab es einen Stoß. »Die Kerle fassen!« rief er.
    »Weswegen?«
    »Weil er seinen Vertrag nicht eingehalten hat.«
    »Aber Sie hatten ja keinen Vertrag mit ihm geschlossen, nicht wahr?«
    »Doch! Mündlich!«
    »Das wird er leugnen. Haben Sie Zeugen? Der Herr aus der Vermittlungsstelle wird Ihre Behauptungen kaum bestätigen, nicht wahr?«
    »Nein. Aber der Kerl, der Vorschnitter, hat mich um dreißig Dollar betrogen!«
    »Das höre ich lieber nicht«, sagte der Beamte leise.
    »Wie –?!«
    »Haben Sie eine Bankbescheinigung über den rechtmäßigen Erwerb der Devisen? Durften Sie sie kaufen? Durften Sie sie weitergeben?«
    Der Rittmeister saß da, ziemlich weiß, kaute an den Lippen. Dies war also die Hilfe, die ihm der Staat angedeihen ließ! Er war betrogen worden – und ihn bedrohte man! Alle hatten sie Devisen statt des Dreckgeldes – er hätte wetten mögen, der graue Mann da vor ihm trug auch welche in seiner Tasche!
    »Lassen Sie den Mann laufen, Herr von Prackwitz«, sagte der Beamte begütigend. »Was

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