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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Losbrechen nahe – so hat es sich in seinem eigenen Leben zusammengebraut aus Bevormundung, Gängelei, Besserwissen, rücksichtsloser Ausnutzung der Mutterstellung, der Kasseninhaberin. Und was seinen Zorn am gefährlichsten macht, das ist noch nicht einmal dies, das ist auch nicht die Verachtung der Mutter für Petra (die ihm ohne diese Verachtung ja gar nicht soviel bedeutet). Sondern aus seiner eigenen Schwäche, aus seiner eigenen Feigheit schwelt die stärkste Zornesglut. Daß er ihr hundertmal nachgegeben hat, das muß er rächen. Daß er sich vor dieser Auseinandersetzung gefürchtet hat, das macht ihn so fürchterlich. Daß er das Bild
heimlich
hat wegholen wollen, das macht ihn schamlos in seinem Zorn.
    »Oh …!« hat die Mutter gestöhnt, aber in ihm löst das nur eine tiefe Freude aus. Es ist hungrige Zeit, Wolfszeit. Die Söhne haben sich gegen die eigenen Eltern gekehrt, das hungrige Wolfsrudel fletscht gegeneinander die Zähne – wer stark ist, lebe! Aber wer schwach ist, der sterbe! Und er sterbe unter meinem Biß!
    »Oh …!«
    »Und ich muß dir auch noch sagen, Mama, als ich eben so leise in das Zimmer kam, dachte ich wirklich, du wärest fort. Ich wollte mir nämlich heimlich das Bild holen,
das
Bild, du weißt schon, welches, das Bild, das du mir geschenkt hast …«
    Sehr schnell, aber mit einem unverkennbaren Zittern in der Stimme: »Ich habe dir nie ein Bild geschenkt!«
    Wolfgang hört dies wohl. Aber er spricht weiter. Er ist trunken vor Rachsucht. Er kennt keine Scham mehr.
    »Ich wollte es heimlich verkaufen. Viel Geld dafür kriegen, schönes Geld, vieles Geld, Devisen, Dollars, Pfunde, Dänenkronen – und alles Geld wollte ich meiner lieben, guten Petra bringen …«
    Er spottet über sie, aber er spottet auch über sich. Er ist ein Narr. Ach – dies ist ja fast noch besser als Spielen, es erregt, es macht wild. In das Dunkel hineinreden, und die Blitze dazu, und das jetzt fast pausenlose ferne Drohen und Grollen des Donners. Aus den Urgründen alles menschlichen Seins steigt, frei gemacht von schlimmer Zeit, der Urhaß der Kinder gegen die Eltern hoch, der Haß der Jugend gegen das Alter, des stürmenden Mutes gegen die langsame Besinnung, des blühenden Fleisches gegen das welke …
    »Ich habe es mir heimlich holen wollen, aber das war natürlich Unsinn. Es ist ganz gut, daß ich dir endlich einmal alles sagen kann, alles, alles … Und wenn ich es gesagt habe, nehme ich mir das Bild …«
    »Ich gebe es nicht her!« ruft sie. »Nein!« Und sie springt auf und stellt sich vor das Bild.
    »Ich nehme es mir«, sagt er unbeirrt und bleibt sitzen. »Ich trage es vor deinen Augen fort und verkaufe es, und alles Geld bekommt Petra, alles Geld …«
    »Du wirst es mir nicht mit Gewalt nehmen …«, sagt sie rasch, aber es klingt wie Angst in ihrer Stimme.
    »Ich werde es auch mit Gewalt nehmen«, ruft er, »denn ich will es haben. Und du wirst vernünftig sein. Du weißt, ich will es haben, und dann kriege ich es auch …«
    »Ich rufe die Polizei!« sagt sie drohend und schwankt zwischen Fernsprecher und Bild.
    »Du rufst nicht die Polizei!« lacht er. »Denn du weißt wohl, du hast mir das Bild geschenkt!«
    »Sehen Sie ihn an, Minna!« ruft Frau Pagel, und jetzt hatauch sie vergessen, daß es der Sohn ist, der dort steht. Sondern es ist der Mann, der Mann, der immer widersinnig handelt, der Gegenpart der Frau, der Feind von Urbeginn an.
    »Sehen Sie ihn doch an, wie er es nicht abwarten kann, zu seinem geliebten Mädchen zu kommen! Sie von der Polizei zu erlösen! Es ist ja alles Lüge und Theater, das Mädchen ist ihm so gleichgültig wie alles auf der Welt – es geht ihm doch nur um das Geld!«
    Sie äfft ihn nach: »Schönes Geld, vieles Geld, Dollars, Pfunde – aber nicht für die liebe, schöne, gute Petra im Kittchen, das Fräulein Ledig, nein, für den Spieltisch …«
    Sie macht zwei Schritte, gibt das Bild frei, steht am Tisch, läßt die Knöchel hölzern auf ihm rasseln. »Da, nimm das Bild. Ich tue dir das Schlimmste, was ich tun kann, ich lasse dir das Bild. Verkauf es, bekomme Geld dafür, viel Geld. Aber ich, deine dumme, verbohrte, rechthaberische Mutter, werde wieder einmal recht behalten – das Mädchen wirst du nicht glücklich machen damit. Du wirst das Geld verspielen, wie du alles verspielt hast: Liebe, Anstand, Leidenschaft, Ehrgeiz, Arbeitskraft.«
    Sie steht da, atemlos, mit flammenden Augen.
    »Jedenfalls danke ich dir, Mama«, sagt Wolfgang, plötzlich

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