Wolf unter Wölfen
braucht man nicht zu arbeiten, sondern hat seine Leute dafür.«
»Und auf einem Bauernhof muß man arbeiten?«
»Schrecklich, Frau Gräfin, und lauter Arbeit, die die Haut verdirbt.«
Eilig beschloß die Gräfin, auf den elften Bauernhof zu verzichten und statt dessen lieber einen Diamantring als Geschenk zu nehmen. Damit aber entfiel jedes eigene Interesse an der Fahrt, jedes Interesse am guten Einkauf und also jeder Grund, Sophie als Beraterin auf die Fahrt mitzunehmen.
»Hören Sie, Sophie, wenn Herr Quarkus Sie auch fragen sollte, erzählen Sie ihm das nicht. Es hat gar keinen Sinn, ihm abzureden, es verdirbt ihm nur die Laune, und er kauft doch!«
»Genau wie mein Hans!« sagte Sophie seufzend, und sie dachte traurig daran, daß die Polente den Hans Liebschner nie geschnappt hätte, wenn er ihrem Rat gefolgt wäre.
»Schön, Sophie. Dann ist alles in Ordnung. Ich wußte ja, daß Sie auf dem Lande Bescheid wissen. Herr Quarkus fährt heute mit mir Bauernhöfe kaufen, und eigentlich wollte ich auch einen erwerben. Da hätte ich Sie als Beraterin mitgenommen. Aber wenn es so schlecht mit den Höfen aussieht …«
Zu spät merkte Sophie, daß sie vorschnell geredet hatte. Eine Autofahrt mit dem reichen Quarkus über Land wäre nicht so übel gewesen. Sie versuchte es noch: »Nun, Frau Gräfin, es gibt natürlich verschiedene Arten von Bauernhöfen …«
»Nein, nein«, sagte das ehemalige Fräulein Fischmann. »Sie haben mir alles ganz ausgezeichnet erklärt. Ich kaufe nicht.«
Da hier nichts mehr zu retten war, suchte Sophie ihren Vorteil auf der andern Seite. »Da bleiben Frau Gräfin wohl länger fort?«
Jawohl, Gräfin Mutzbauer würde kaum vor morgen abend zurück sein.
»Ach, wenn Frau Gräfin da so gut sein würde … Meine Tante in Neukölln ist doch so schwerkrank, und ich soll schon seit Tagen hinkommen … Wenn ich heute nachmittag frei haben könnte –? Und vielleicht bis morgen mittag?«
»Nun, Sophie«, sagte ihre Herrin gnädig, obwohl sie die kranke Tante in Neukölln genauso richtig bewertete wie Sophie den von der Gräfin erwogenen »Erwerb« eines Hofes. »Eigentlich ist wohl Mathilde mit dem Ausgang dran. Aber da Sie mich vorhin so gut beraten haben … Daß es mir aber keine Streitereien mit der Mathilde gibt –!«
»I wo, Frau Gräfin, wenn ich der ein Kinobillett schenke, ist sie schon ganz glücklich. Die ist ja so geizig! Neulich hat der Schuster zu ihr gesagt: ›Fräulein, Sie gehen wohl gar nicht aus? Ihre Sohlen halten nun schon das zweite Jahr.‹ – Aber so ist sie wirklich …«
Vielleicht war die Köchin Mathilde, was Geiz, Ausgang, Kino anging, wirklich so. Vielleicht hatte Sophie Kowalewski ganz recht berichtet. Aber darin hatte sich Sophie jedenfalls verrechnet, wie Mathilde diesen freien Nachmittag aus der Reihe hinnehmen würde. Sophie hatte recht verächtlich von einer lumpigen Kinokarte geredet, mit der sich die Mathilde ohne weiteres besänftigen lassen würde, aber nichts davon, aber gar nichts derart! Die Köchin Mathilde tobt. Wie wird sie sich das bieten lassen! Sie, die Sparsame, Solide, soll zurückstehen in freien Tagen hinter einer solchen Nutte, die für drei Schnäpse mit jedem Tangokavalier mitgeht! Auf der Stelle verzichtet Sophie auf diesen erschlichenen Ausgang, oder die Mathilde geht sofort zur Gräfin, und was diedann zu hören kriegt, das kann sich die Sophie allein denken! Solchen Dreck nimmt man nicht ohne Not zweimal in den Mund!
Worauf sie ihn gleich vor der Kollegin in den Mund nimmt.
Ach, die dicke, rundliche, bequeme Mathilde – Sophie versteht gar nicht, warum sie eigentlich so tobt. Sie hat sich doch schon zehnmal bei den freien Tagen übergehen lassen, hat freiwillig und unfreiwillig verzichtet, und wenn sie wirklich einmal gemault hat, haben sie eine Schachtel Konfekt oder eine Kinokarte stets besänftigt. Hat denn diese schwüle Hitze die Alte ganz verrückt gemacht?
Einen Augenblick überlegt Sophie, ob sie nicht vielleicht doch nachgibt. Bringt Mathilde all ihren Quatsch vor die Gräfin, kann es einen ziemlichen Stunk geben. Obwohl sich Sophie auch davor nicht fürchtet. Sie ist noch mit jedem stänkernden Angetrunkenen fertig geworden, und die können bestimmt beinahe so schlimm sein wie eine stänkernde Frau.
Sophie überlegt also einen Augenblick … Dann aber sagt sie recht bösartig ruhig: »Ich weiß gar nicht, was du hast, Mathilde. Wozu willst du ausgehen? Du hast ja gar nichts anzuziehen.«
Oh, wie dieses sanfte
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