Wolf unter Wölfen
mit seinem Gelde hin sollte.
Das Wort »Sachwerte«, von vielen Seiten geraunt, hatte auch das Quarkussche Ohr erreicht. Keiner kommt von seiner Jugend los. Der Junge Emil (der Name Quarkus hatte für seine Umwelt erst ab seinem fünfundzwanzigsten Jahr Bedeutung bekommen), der Junge Emil hatte viele deutsche Landstraßen entlang eine Kuh treiben, drei Schweine hüten müssen. Er war Viehtreiber gewesen, ehe er Viehhändler geworden. Der schmächtige, immer hungrige Bengel hatte mit sehnsüchtigen Augen nach den Bauernhäusern längs der Landstraße geschaut, aus deren Türen es so verlockend nach Bratkartoffeln mit Speck roch. Jagte der Wind, trieb Regen oder Schnee, fror es Pickelsteine – immer lagen die Höfe behaglich geduckt am Wege, ihre breiten Stroh- oder Ziegeldächer verhießen Schutz, Wärme, Behaglichkeit. Selbst der Ochse, den Emil Quarkus trieb, merkte das: er hob im Regen, den Schwanz steif von sich reckend, das Maul und brüllte die Höfe sehnsüchtig an.
Was dem Knaben Emil Inbegriff aller Sicherheit und Behaglichkeit gewesen war, blieb für den Mann Quarkus eine feste Burg. In der Zeit der hüpfenden, springenden, stürzenden Mark konnte nichts sicherer sein als ein Bauernhof – höchstens fünf oder zehn Bauernhöfe. Und Quarkus war entschlossen, sie sich zu kaufen.
Die Gräfin Mutzbauer, das geborene Fräulein Fischmann (was sie freilich ihrem Freunde Quarkus nicht erzählte), war allerdings mehr für ein Rittergut mit Schloß, Freitreppe und Rennstall gewesen. Doch war diesmal Quarkus eisern. »Ich habe genug Vieh auf Rittergütern gekauft«, sprach er. »Ich werde mir doch keine Sorgen kaufen!«
Er war sicher, kam er mit einer Handtasche, besser noch mit einem Koffer voll Geld auf einen Hof, verlangte eine Kuh zu kaufen, kaufte zehn, warf mit dem Gelde, prahlte mit dem Gelde, lockte mit dem Gelde – kein Besitzer würde widerstehen können! Zu den zehn Kühen kaufte er den Kuhstall, das Stroh, das Land, auf dem das Stroh wuchs, den ganzen Hof schließlich. Und wenn er dem Besitzer dannnoch sagte, er könne wohnenbleiben, weiterwirtschaften, mit den Erträgen anfangen, was er wollte, der würde ihn für übergeschnappt halten, ihm andere Verkäufer zuführen, mehr als gewünscht. Bis freilich dann eines Tages der Tag kommen würde, an dem die Mark – ja, wie es mit der Mark an
dem
Tag sein würde, das konnte sich keiner auch nur ausdenken. Aber jedenfalls war dann der Hof da. Nein, die Höfe.
Dies waren etwa die Quarkusschen Überlegungen, wie er sie oft und oft der Gräfin Mutzbauer vortrug. Da das Rittergut abgelehnt war, interessierte sie die ganze Geschichte eigentlich recht wenig. Aber daß die Gräfin Mutzbauer in ihrer Uninteressiertheit nun so weit gegangen wäre, ihren Freund allein fahren zu lassen, dazu war sie auch wieder zu klug. Immer war es besser, man blieb in der Nähe, es gab überall gemeine Weiber genug, für die das Geld war, was für den Mistkäfer der Mist. Und schließlich: wenn er zehn Höfe kaufte, fiel vielleicht ein elfter für sie ab, und wenn auch der Gedanke, einen Bauernhof zu besitzen, ungefähr so war, als besäße sie eine Lokomotive – verkaufen konnte man ihn jedenfalls wieder, man konnte alles verkaufen. (Gräfin Mutzbauer hatte schon drei Autos, die sie von ihrem Freunde bekommen hatte, nacheinander wieder verkauft und Quarkus mit der schönen Erklärung abgespeist: »Dazu bist du doch viel zuviel Kavalier, Quarkus, mir solch veralteten, unmodernen Wagen zuzumuten.« Und er war wirklich zu sehr Kavalier – außerdem interessierte es ihn kaum.)
Diese Idee von dem elften Bauernhof aber hatte die Gräfin daran erinnert, daß ihre Zofe Sophie vom Lande war. Als sie also gegen Mittag ausgeschlafen hatte, klingelte sie ihre Zofe heran und führte mit ihr folgende Unterhaltung:
»Sophie, Sie sind doch vom Lande?«
»Ja doch, Frau Gräfin, aber ich mag das Land gar nicht.«
»Sind Sie von einem Bauernhof?«
»Aber nein, Frau Gräfin, ich bin von einem Rittergut.«
»Sehen Sie, Sophie, ich habe es Herrn Quarkus auch gesagt,er soll ein Rittergut kaufen. Aber er sagt, er will nur einen Bauernhof.«
»Ja, Frau Gräfin, so war mein Hans auch. Wenn er Geld hatte für Habel und Rebhühner, dann wollte er durchaus zu Aschinger auf Löffelerbsen mit Speck. So sind nun mal die Männer.«
»Sie meinen doch aber auch, Sophie, daß ein Rittergut viel besser ist?«
»Aber natürlich, Frau Gräfin. Ein Rittergut ist ja viel größer, und wenn es einem gehört,
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