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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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sehr müde, alles Streitens, alles Redens überdrüssig. »Damit wären wir nun fertig, wie? Und mit allem andern auch. Meine Sachen werde ich heute abend abholen lassen, ich will dich nicht länger damit belasten. Was aber deine Prophezeiungen anlangt …«
    »Nimm alles!« schreit sie lauter und sieht, an allen Gliedern zitternd, wie er das Bild von der Wand nimmt. »Möchtest du auch noch etwas vom Silber für die Ausstattung der jungen Frau? Nimm es! Ach, ich kenne doch euch Pagels!« ruft sie und ist plötzlich wieder das junge Mädchen, lang, lang vor Brautschaft und Ehe. – Außen freundlich und sanft, aber innen gierig und trocken. »Geh, geh nur rasch! Ich mag euch nicht mehr sehen, ich habe euch ein ganzes Leben geopfert, und zum Schluß habt ihr mich mit Schmutz beworfen, Vaterwie Sohn, einer wie der andere … Ja, geh nur so, ohne ein Wort, ohne einen Blick. Dein Vater machte es auch so, er war zu vornehm für Auseinandersetzungen, aber wenn er nachts ein schlechtes Gewissen hatte, schlich er auf Strümpfen aus dem Zimmer.«
    Wolfgang geht schon, das Bild unter dem Arm. Er hatte sich umgesehen, er hatte Minna um Packpapier und Bindfaden bitten wollen, aber sie stand so starr unter der Tür. Und immer war diese Stimme da, diese gelle, erbarmungslose Stimme, wie eine häßlich klingende Glocke aus Eisen, blechern, aber unverwüstlich, seit seinen Kindertagen unverwüstlich.
    Er steckt das Bild, wie es ist, unter den Arm. Nur fort, nur schnell – noch regnet es nicht.
    Aber als er über die Schwelle des Zimmers geht, immer diese wilde, tobende Stimme hinter sich, sagt das alte Mädchen, diese alberne Gans, der man es natürlich auch nie recht machen kann: »Pfui!« Sagt zu ihm, beinahe in sein Gesicht, hart, böse: »Pfui!«
    Er zuckt bloß die Achseln. Er hat es doch für Petra getan, er soll doch, auch ihrer Ansicht nach, etwas für Petra tun. Aber egal, mögen sie reden.
    Nun ist er aus der Wohnung, die Tür fällt zu, aus dem Porzellanschild schlug er einmal eine Ecke. Jetzt steigt er die Treppe hinab.
    Wieviel werde ich wohl kriegen für das Bild –?

4
    An diesem 26. Juli 1923 wollte die geschiedene Gräfin Mutzbauer, ein geborenes Fräulein Fischmann, mit ihrem derzeitigen Freunde, einem Berliner Viehhändler namens Quarkus, über Land fahren, um Höfe zu besichtigen.
    Der Viehhändler, ein Mann Ende der Vierzig, untersetzt, mit krausem, dunklem und schon etwas dünn gewordenemHaar, mit faltiger Stirn und ebenso faltigem Specknacken, langjähriger, fast schon silberner Ehegatte und Vater von fünf Kindern – dieser Viehhändler also hatte es zuerst mit Freude angesehen, wie ihn die Inflation immer reicher machte. Wenige Monate hatten ihn aus einem Mann mit einem Wochenumsatz von einem Waggon Schweinen und zwei Dutzend Rindern zu einem Großhändler gemacht, dessen Aufkäufer bis nach Süddeutschland, ja sogar bis ins Holländische hinein reisten. Ehe nämlich das gekaufte und bezahlte Vieh in Berlin eingetroffen, ja ehe es auch nur verladen wurde, war es um das Doppelte, ja um das Dreifache, Fünffache an Wert gestiegen, und Quarkus hatte noch immer recht behalten, wenn er seinen Herren Aufkäufern gesagt hatte: »Bezahlt, was die Leute verlangen – es ist doch immer zuwenig!«
    Zuerst also hatte Herrn Quarkus dies Geldscheffeln reine Freude gemacht. Zwei Monate hatten genügt, ihm die Schultheißkneipen, die Bötzowbraustübl und die Aschingerquellen zu verleiden. Er war ein großzügiger, sogar beliebter Gast aller Bars der alten Friedrichstadt und des neuen Westens geworden und behauptete mit Überzeugung, daß man nur in drei Lokalen Berlins wirklich anständig essen könne. Und als ihm geschah, daß eine wirkliche Gräfin ihn in ihre Arme schloß, meinte er, kein Erdenwunsch sei ihm noch unerfüllt.
    Allmählich aber, je reicher er wurde, je weniger Geld eine Rolle spielte, um so nachdenklicher wurde der Viehhändler Quarkus. Sein unbedenklicher Optimismus, der ihn ohne jeden Gedanken an die Zukunft immer weiter mit dem Fallen der Mark hatte rechnen lassen, wurde verdüstert von den Sprüngen, die er die Mark um den Dollar tun sah, Sprünge, die einen Floh über das Ulmer Münster weggetragen hätten.
    »Was zuviel ist, ist zuviel«, murmelte er, wenn er erfuhr, daß seine Schweine ihm den zwanzigfachen Einkaufspreis gebracht hatten. Und in einer Zeit, da Hunderttausende nicht wußten, wo sie das Geld für ein Stück Brot hernehmen sollten, machte ihn der Gedanke schlaflos, wo er eigentlich

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