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Wolfsangriffe. Fakt oder Fiktion? (German Edition)

Wolfsangriffe. Fakt oder Fiktion? (German Edition)

Titel: Wolfsangriffe. Fakt oder Fiktion? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
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stehen Bären manchmal auf ihren Hinterbeinen, und Bären versucht der Wolf möglichst zu meiden.
    Einen dritten wichtigen Faktor führt der kanadische Wolfsforscher Dick Dekker an: die tödliche »Durchschlagskraft« menschlicher Waffen. Dies müssen nicht nur die heutigen Schusswaffen sein. Auch die Speere und Lanzen, die schon unsere Urahnen in der Steinzeit fertigten, sind bei entsprechender Übung erschreckend effiziente Tötungsmittel.
    Ein weiterer Grund, warum Wölfe keine Menschen angreifen, könnte in der Jagdmethode der Beutegreifer begründet sein. Im Gegensatz zu Katzen, die sich an ihr Opfer heranschleichen, benötigen Kaniden für die Jagd einen Auslösereiz in Form eines fliehenden Tieres. Erst diese Flucht setzt die Verfolgung durch die Beutegreifer in Gang. Wir Zweibeiner passen einfach nicht in dieses Beuteschema. Dies ist übrigens auch der Erfolg von Lamas als Herdenschutztiere. Auf dieses Thema gehe ich im Kapitel »Wölfe und Nutztiere« noch näher ein.
    Die Angst vor uns ist tief in die Gene der Wölfe eingebettet und wird von Generation zu Generation weitergegeben. Wölfe, die Menschen nicht gemieden haben, sind gestorben. Die Europäischen Wölfe gehören zu den scheuesten Kaniden – gerade, weil sie so viele Jahre verfolgt wurden. Weniger ängstlich sind die nordamerikanischen Wölfe, und von diesen die Arktischen Wölfe, die keine Verfolgung durch den Menschen kennen.
    Wilde Wölfe, die Menschen angreifen, sind äußerst selten, und fast immer ist der Mensch selbst der Grund für einen solchen Angriff. Auf diese Gründe werde ich noch im Einzelnen eingehen.
    Tatsache ist, dass Canis lupus extrem scheu ist und uns meidet. Wir aber drängen massiv in seinen Lebensraum ein und schränken seine Möglichkeiten ein, Beute zu machen. Stellen Sie sich vor, ein wildfremder Mensch zieht mit seiner kompletten Familie plötzlich in Ihr Haus, plündert Ihren Kühlschrank und macht sich es in Ihren Betten bequem. Was würden Sie tun? Die Toleranz und Anpassungsfähigkeit der Wölfe ist ungeheuer groß. Und es ist erstaunlich, dass es bisher noch nicht zu viel mehr Angriffen auf Menschen gekommen ist. Die Frage ist, wie viel können wir einem wilden Beutegreifer noch zumuten, bevor er anfängt, sich zu wehren?
     

Furchtlosigkeit oder Angst – was ist »natürlich«?
    Für die meisten Menschen sind Wölfe ein Symbol der Wildnis. »Sie gehören nicht in die Zivilisation« heißt es immer wieder. Während viele Wölfe in Kanada, Alaska oder Russland niemals im Leben einen Zweibeiner riechen, hören oder sehen werden, leben die meisten Wölfe dieser Welt in der Nähe von Menschen. Sie passen ihr Verhalten an das Leben mit uns an. In Italien leben sie an der Stadtgrenze von Rom und in Deutschland auf Truppenübungsplätzen. In Spanien oder Rumänien beispielsweise sind sie tagsüber nur selten aktiv und laufen auf der Suche nach Futter nachts durch die Bergdörfer. In Yellowstone, wo die Wölfe von ihren Fans und Fotopaparazzi regelrecht »verfolgt« werden, haben es einige von ihnen aufgegeben, das Fleisch eines Kadavers zu den Welpen zu transportieren, weil sie dabei eine Straße überqueren müssen. Sie legen sich in das hohe Gebüsch und warten, bis die Touristen die Geduld verlieren und weiterfahren. Erst dann machen sie sich auf den Weg zur Höhle. Rumänische Wölfe marschieren nachts durch die Städte – unerkannt von späten Zechern, weil der »Hund« ein Halsband trägt (Radiohalsband).
    Selbst innerhalb einer Wolfspopulation variiert die Vorsicht vor Menschen von Wolf zu Wolf. Die Yellowstone-Leitwölfin der Lamars marschierte ungerührt an eine Gruppe Fotografen vorbei und ignorierte sie vollständig. Ihre Schwester dagegen geriet beim Anblick der Zweibeiner in Panik und wagte sich erst nachts über die Straße.
    Das Titelbild des Buches zeigt die Leitwölfin der Lamar-Canyon-Wolfsfamilie in Yellowstone. Während wir mit unseren Spektiven die Wölfe suchten, lief sie völlig entspannt hinter uns vorbei, ohne dass wir sie bemerkten.
    Die Frage, ob die Angst des Wolfes vor dem Menschen ererbt oder erlernt ist, ist umstritten. Manche glauben, dass die Tiere von Natur aus jeden Zweibeiner fürchten, weil sie über Hunderte Jahre von ihm gejagt und verfolgt wurden.
    Dem widersprechen viele Experten. Wölfe sind hochintelligente und anpassungsfähige Tiere. Viel von ihrem Verhalten wird nicht durch Instinkt geformt, sondern durch soziales und individuelles Lernen. Sie beobachten genau, sind

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