Wolfsblues
etlichen Jahrzehnten. Ich kann nicht umherziehen. Warum, das brauche ich wohl kaum zu erklären, oder?« Die Frau mit dem krisseligen Lockenkopf und von undefinierbarem Alter, schloss mich mütterlich in ihre Arme. »Ich habe Angst um dich, mein Kleines. Angst, dass sie dich eines Tages totschlagen und ich dir nicht mehr helfen kann.« Ehrliche Sorge lag in ihren Worten. Sie presste mich fest an sich. »Du musst gehen, Megan! Wenn sich dir die Gelegenheit bietet, dann zögere nicht! Ich habe ein gutes Gefühl …«
Suna und ihr bescheuertes Gefühl! Sie brachte mich immer zum Schmunzeln, egal wie mies es mir ging.
»Ein strahlender Ritter wird kommen …«
»Mit glänzender Rüstung?«, fiel ich ihr ins Wort.
»Kindskopf!«, lachte Suna und küsste mich auf die Stirn. »Nein, alles wird gut. Vertrau meinem Gefühl! Ich wünschte nur, ich könnte mehr für dich tun, als dich zusammenzuflicken.«
»Das kannst du.« Ich griente durchtrieben. Sie sah meine Miene nicht, vernahm allerdings meinen Tonfall.
»Plectranthus caninus.« Suna lachte aus vollem Hals. »Ich verstehe, aber sicher doch! Halten wir dir die geilen Böcke heute Abend von der Pelle mit einem Kräuterparfum. Setze es diesmal vorsichtiger ein. Nicht, dass Desmond im wahrsten Sinne des Wortes Lunte riecht.« Zielstrebig griff sie nach einem kleinen Zerstäuber, der im Regal neben ihrem Schreibtisch stand, und legte ihn in meine Hand. »Das sollte für einige Wochen reichen, wenn du nur einen Spritzer an deinen Hals sprühst. Mir ist es gelungen, den Duft dauerhaft zu konservieren. Ich fertige dir noch ein weiteres Flakon an. Doch vergiss nicht …«
»Wie könnte ich das vergessen«, stöhnte ich deprimiert. »Ich weiß, dass Desmond mich aus dem Weg räumt, sobald er mich als überflüssig erachtet.« Und das würde er tun, wenn ich ihm nicht mehr zu Diensten wäre. Demzufolge musste ich notgedrungen diesem Scheusal gefällig sein. Zumindest gelegentlich, so ungemein es mir auch widerstrebte. Zähneknirschend steckte ich das Flakon in meinen BH, wollte ich es sicher wissen.
»Kümmern wir uns jetzt erst mal um dich und danach geht es zu Olga.« Wehmütig strich Suna mir durch mein rotgoldenes Haar.
Mir gefiel mein Haarschopf. Rotgoldene Locken zu meiner dunklen, fast zimtfarbenen Haut. Jeder mochte sie. Nur Desmond, der hasste mein Haar, weshalb er mich zwang, sie kurz zu tragen. Doch meine Haare waren noch mein geringstes Problem.
Kapitel 4
Ein Alpha auf Stippvisite
»Ihh … es pisst! Ich hasse das Wetter in England! Warum sind wir noch mal hier?« Chris flüchtete erneut unter das Vordach und brachte sich in Sicherheit vor dem Platzregen. Er entlockte seiner Nummer Zwei damit ein Lachen.
»Angst nass zu werden, Chris?«, lachte die hübsche Rothaarige. Abby kicherte unter sich.
»Redet man so mit seinem Alpha?«, echauffierte sich Chris. Er erreichte damit alles andere, nur nicht ihren Respekt. Abby hielt sich den Bauch vor Lachen und bekam sich kaum noch ein.
»Abigail.« Er zog ihren Namen betont in die Länge. Ein klares Zeichen für die Frau, sich endlich zusammenzureißen. Natürlich wusste er nur zu gut, dass es gar nicht so leicht war. Und Abby war einfach zu drollig, wenn sie lachte.
»Versuch ein wenig ernster zu sein. Wir sind bei einem Rudel zu Besuch, deren Leitwölfe verschrien sind als Hardliner, wenn ich dich erinnern darf. Ich habe keine Lust, dass einer dieser geistigen Tiefflieger auf die Idee kommt, in die Staaten auszuwandern, weil er hofft, mein Rudel übernehmen zu können«, ermahnte Chris sie und wahrhaftig wurde sie ruhiger.
»’tschuldige!« Abby rang nach Atem. Ein schiefes Grienen lag auf ihrem attraktiven Gesicht.
»Knallschote!«, foppte er sie. »Versuch doch einmal ernst zu bleiben, geht das? Ich hätte besser deine Tochter mitgenommen, ist die gemeinhin vernünftiger als du, wenn auch weniger dominant.«
»Sie ist nicht dominierend genug, um sie als deine Gefährtin zu verkaufen. Und sie hat bereits einen Partner«, erinnerte seine Nummer Zwei ihn.
Gott, das konnte noch lustig werden! Sie als seine Alphawölfin auszugeben … Diese Schnapsidee war auf ihrem Mist gewachsen. Abby mochte ja recht haben, dass ein Alpha mit Gefährtin angesehener war. Aber Abby … Sie war hübsch anzusehen und nett, allerdings überhaupt nicht auf seiner Wellenlänge. Sie waren wie Mutter und Sohn, nicht wie ein Liebes- und Alphapaar. Jeder, der sich länger mit ihnen unterhielt, würde das auch unmittelbar bemerken.
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