Wolfsblut
ihre Bewegungen, mit Ausnahme der lahmen Tiere, leicht und mühelos. Die dünnen Muskeln schienen von Stahl zu sein und unerschöpfliche Kraft in sich zu bergen, hinter jeder Zusammenziehung lag immer noch eine andere in endloser Folge.
Sie liefen an jenem Tage viele Meilen weit, und auch die ganze Nacht hindurch liefen sie. Aber der nächste Tag fand sie noch in Bewegung. Sie trabten über die weite Fläche einer gefrorenen, toten Welt. Kein Leben regte sich. Sie allein regten sich in der ungeheuren Öde. Sie allein waren lebendig, und sie suchten andere lebendige Wesen, um sie zu verschlingen, damit sie weiterleben könnten.
Sie passierten niedrige Wasserscheiden und kamen an einem Dutzend kleiner Ströme vorüber in eine tiefer gelegene Gegend, wo ihr Suchen endlich belohnt wurde. Hier stießen sie auf Elche, und der erste, den sie fanden, war ein mächtiger Elchbulle. Hier war Leben, hier war Fleisch und kein geheimnisvolles Feuer, keine fliegenden Brände, die es schützten. Gespaltene Hufe und gezacktes Geweih kannten sie und schlugen demgegenüber die gewohnte Geduld und Vorsicht in den Wind. Der Kampf war kurz und verzweifelt. Auf allen Seiten wurde der große Elch angegriffen. Zwar brachte er ihnen Wunden bei, zerschmetterte ihnen mit schlau berechneten Schlägen der großen Hufe den Schädel, zermalmte sie, zerbrach ihnen die Knochen mit dem großen Geweih und zerstampfte sie unter seinem Gewicht im Schnee. Dennoch gab es keine Rettung für ihn, und der Kampf endigte damit, daß die Wölfin ihn an der Kehle packte, während die Zähne der andern überall in sein Fleisch einschlugen und sie ihn zu verzehren begannen, ehe noch sein letzter Atemzug getan und sein Todeskampf vorüber war.
Nun gab es Speise in Fülle. Der Elch wog über achthundert Pfund, was auf jeden der ungefähr vierzig Wölfe zwanzig Pfund Fleisch ausmachte. Wenn sie aber auch lange und andauernd fasten konnten, so vertrugen sie auch eine reichliche Mahlzeit, und bald waren ein paar umhergestreute Knochen alles, was von dem herrlichen Geschöpf übrig war, das noch vor wenigen Stunden dem Rudel die Stirn geboten hatte.
Nun legten sie sich zu langer Ruhe und zum Schlafe nieder. Doch mit dem vollen Magen fingen unter den jüngeren Wölfen Uneinigkeit, Streit und Hader an. Und dies dauerte an, bis das Rudel sich auflöste. Denn die Zeit der Not war vorüber. Sie waren in einem Lande, wo es Wild gab, und sie jagten nun vorsichtiger, indem sie nur lahme und krüppelige Tiere aus kleinen Elchrudeln aussuchten.
Dann kam in diesem Land der Fülle ein Tag, wo das Rudel sich teilte und ein Teil in anderer Richtung abzog. Die Wölfin, der junge Führer an ihrer Linken und der alte Einäugige ihr zur Rechten führten die Hälfte des Rudels nach dem Mackenzieflusse hinunter und in das Land der Seen im Osten.
Von Tag zu Tag verminderte sich dieser Rest des Rudels. Zu zweien, immer, ein Wolf und eine Wölfin, machten sie sich aus dem Staube. Dann und wann wurde auch ein Einzelwolf von den scharfen Zähnen der Nebenbuhler ausgetrieben. Zuletzt blieben nur noch vier übrig: die Wölfin, der junge Führer, der Einäugige und der ehrgeizige Dreijährige.
Die Wölfin zeigte jetzt grimmige Laune, bald trugen ihre Bewerber alle drei die Spuren ihrer Zähne. Dennoch verteidigten sie sich nie, noch vergalten sie Gleiches mit Gleichem. Bei den ungestümsten Angriffen drehten sie ihr die Schulter zu und suchten, mit dem Schweife wedelnd und mit zierlichen Schritten sie umtänzelnd, ihren Zorn zu beschwichtigen. Waren sie aber auch ihr gegenüber ganz zahm, so waren sie wild genug gegeneinander. Der Dreijährige wurde in seinem Ärger eines Tages gar zu frech. Er zauste den Einäugigen auf der blinden Seite und riß ihm das Ohr in Fetzen; Wenn auch der alte Wolf nur auf einer Seite sehen konnte, so brachte er gegen die Jugendkraft des Gegners doch die Weisheit und Erfahrung vieler Jahre ins Feld, und sein verlorenes Auge, seine narbenvolle Schnauze zeugten von der Natur dieser Erfahrungen. Er hatte zu viele Kämpfe überlebt, um über das, was er zu tun hatte, einen Augenblick im Zweifel zu sein.
Der Kampf begann ehrlich, endigte jedoch nicht so. Wer hätte das Ende voraussagen können, wenn nicht der dritte Wolf sich auf die Seite des alten gestellt hätte, und nun griffen beide, der alte und der junge Führer, den ehrgeizigen Dreijährigen an, in der Absicht, ihn zu töten. Von beiden Seiten fielen die unbarmherzigen Zähne seiner früheren Kameraden ihn
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