Wolfsblut
Zeit, und es gab kein Fleisch für die Hunde.«
»Sie hat bei den Wölfen gelebt«, sagte ein dritter.
»So scheint es, Drei Adler«, antwortete der Graue Biber und legte die Hand auf den jungen Wolf, »und das ist das Resultat davon.«
Das Wölflein knurrte ein bißchen bei der Berührung. Sofort wurde die Hand zurückgezogen, um ihm eine Ohrfeige zu geben. Darauf wies es nicht mehr die Zähne, sondern legte sich unterwürfig nieder, während die Hand ihn am Kopfe kraute und ihm den Rücken streichelte.
»Ja, das ist das Resultat davon«, fuhr der Graue Biber fort. »Es ist klar, daß Kische seine Mutter ist. Aber der Vater ist ein Wolf. Darum ist wenig vom Hunde und viel vom Wolfe in ihm, und ›Wolfsblut‹ soll sein Name sein. Ich habe gesprochen. Es ist mein Hund. War nicht Kische meines Bruders Hund?
Und ist nicht mein Bruder tot?«
Das junge Tier, das so seinen Namen erhalten hatte, lag wartend da. Eine Weile noch machten die Männer ihren Lärm mit dem Munde, dann nahm der Graue Biber ein Messer aus der Scheide, die er am Halse trug, ging in das Dickicht und schnitt einen Stock ab. Wolfsblut beobachtete ihn. Er kerbte den Stock oben und unten ein und befestigte Riemen von ungegerbtem Leder in den Kerbschnitten. Den einen Riemen band er um Kisches Hals, dann führte er sie zu einer jungen Tanne, um welche er den anderen Riemen schlang.
Wolfsblut folgte und legte sich neben ihr nieder. Lachszunge streckte die Hand aus und rollte ihn auf den Rücken. Kische sah ängstlich zu. Wolfsblut fühlte, wie die Angst wieder in ihm emporstieg. Er konnte ein Knurren nicht ganz unterdrücken, aber er machte nicht Miene zu beißen. Die Hand mit den gespreizten und gekrümmten Fingern rieb ihm spielend den Bauch und rollte ihn von einer Seite auf die andere. Es war lächerlich und häßlich, so auf dem Rücken zu liegen und die Beine in die Luft zu strecken. Auch war es eine so äußerst hilflose Stellung, daß Wolfsbluts Natur sich dagegen empörte. Er konnte nichts tun, um sich zu verteidigen. Wenn der Mann Böses im Schilde führte, so wußte er, daß er dem nicht entrinnen würde. Wie konnte er, wenn er seine vier Beine in die Luft streckte, aufspringen? Doch bezwang er unterwürfig seine Furcht und knurrte nur leise. Dies konnte er nicht unterdrücken, der Mann nahm es auch nicht übel und gab ihm keinen Schlag auf den Kopf. Allein das seltsamste war, daß Wolfsblut, wie die Hand ihn hin und her rollte, ein unerklärliches Vergnügen empfand. Wurde er zur Seite gerollt, so hörte er zu knurren auf, und wenn die Finger ihm am Kopfe krauten, so wuchs die angenehme Empfindung, und als der Mann nach einem letzten Streicheln und Krauen ihn losließ, war alle Furcht in ihm verschwunden. Zwar sollte er noch oftmals in seinem Umgang mit Menschen vor ihnen Furcht empfinden, doch bereitete sich schon jetzt der furchtlose Verkehr mit ihnen vor. Nach einer Weile hörte Wolfsblut den Ton fremder Stimmen, die näher kamen. Er erkannte sogleich, daß es der Lärm sei, den die Menschen mit dem Munde machten. Einige Minuten später erschien der Rest des Stammes in langer Marschlinie. Es gab noch mehr Männer und viele Frauen und Kinder, im ganzen etwa vierzig Personen, alle mit Lager- und Hausgerät schwer beladen. Auch viele Hunde waren dabei, und diese waren mit Ausnahme der noch nicht erwachsenen ebenfalls beladen. Sie trugen auf dem Rücken in Säcken, die ihnen umgeschnallt waren, ein Gewicht von zwanzig bis dreißig Pfund.
Wolfsblut hatte noch nie zuvor Hunde gesehen, aber bei ihrem Anblick wußte er, daß sie, wenn auch ein wenig verschieden, doch zu seiner Gattung gehörten. Allein sie unterschieden sich nicht sehr von Wölfen, als sie Wolfsblut und seine Mutter erblickten. Sie stürzten auf die beiden los. Wolfsbluts Haar richtete sich empor, und er knurrte und schnappte zu, als die Schar Hunde mit offenem Maul herankam. Doch er wurde um und um geworfen, kam unter ihre Füße und fühlte ihre scharfen Zähne an seinem Körper, während er selber ihnen in die Beine und in den Bauch biß. Es war ein großer Spektakel. Er hörte Kisches Knurren, sah, wie sie für ihn kämpfte, hörte die Rufe der Menschen, den Ton der Knüttel, wenn die Hunde geschlagen wurden, und das klägliche Geschrei der also Geschlagenen.
Ein paar Minuten später stand er wieder auf den Beinen. Er sah nun die Menschen, wie sie die Hunde mit Knütteln und Steinwürfen verjagten, wie sie ihn verteidigten und vor den wilden Zähnen seiner Gattung
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