Wolfsblut
Drang zu lernen und Erfahrungen zu sammeln. Die letzten Schritte wurden sehr langsam und vorsichtig zurückgelegt. Die Ereignisse des Tages hatten ihn gelehrt, daß das Unbekannte sich in höchst wunderlicher und überraschender Weise offenbart. Er wartete, aber es geschah nichts. Endlich berührte seine Nase die Zeltleinwand. Er beroch das seltsame Gewebe, das voll von den Gerüchen der Menschen war. Er biß hinein und zerrte daran. Es geschah nichts weiter, als daß die Zeltleinwand sich ein wenig bewegte. Er riß stärker, und die Bewegung wurde gleichfalls heftiger. Das amüsierte ihn, und so zerrte und riß er immer tüchtiger, bis der ganze Bau in Bewegung geriet, worauf die scharfe Stimme einer Indianerin drinnen ihn zu Kische zurücktrieb. Hiernach fürchtete er sich gar nicht mehr vor den unheimlichen hohen und breiten Dingern.
Einige Minuten später wanderte er wieder von der Mutter fort. Der Stock, womit sie an den Pflock im Boden gebunden war, erlaubte ihr nicht, ihm zu folgen. Ein junger Hund, etwas größer und älter als er, kam langsam mit sichtlich feindseligen Absichten auf ihn zu. Sein Name war, wie Wolfsblut später herausfand, Liplip. Er war in Kämpfen mit jungen Hunden schon erfahren und hatte etwas vom Raufbold an sich. Da Liplip zu Wolfsbluts Gattung gehörte und noch jung war, so erschien er ihm nicht gefährlich, und er schickte sich an, ihm freundlich zu begegnen. Als aber der Fremde mit steifen Beinen auf ihn zukam und ihm die Zähne wies, da wurde auch sein Gang steif, und seine Lippen kräuselten sich. Prüfend drehten sich die beiden im Halbkreis umeinander herum, knurrend und mit gesträubtem Haar. Das dauerte einige Minuten, so daß Wolfsblut anfing, es vergnügt als eine Art Spiel anzusehen. Doch plötzlich sprang Liplip mit staunenswerter Geschwindigkeit zu, biß den Gegner und sprang wieder zurück. Der Biß hatte Wolfsblut in die Schulter getroffen, die durch die Luchsin bis auf den Knochen verwundet worden war. Überraschung und Schmerz erpreßten ihm ein gellendes Geheul, und im nächsten Augenblick sprang er ärgerlich auf Liplip und biß ihn tüchtig. Allein dieser hatte sein Leben lang im Lager gelebt und viele Kämpfe mit seinesgleichen gehabt. Dreimal, viermal, ja ein halbes dutzendmal trafen seine scharfen Zähne den neuen Ankömmling, bis Wolfsblut heulend zur Mutter floh. Dies war der erste der vielen Kämpfe, die er mit Liplip bestehen sollte, denn sie waren die geborenen Feinde, deren Naturen sich stets feindselig bleiben sollten.
Kische leckte Wolfsblut beruhigend mit der Zunge und versuchte ihn bei sich zu behalten. Aber die Neugier drängte ihn fort, und einige Minuten später wagte er sich auf ein neues Abenteuer. Er traf auf den Grauen Biber, der am Boden saß und mit Reisig und trockenem Moose, das vor ihm lag, herumhantierte. Wolfsblut ging nahe an ihn heran und schaute zu. Der Graue Biber machte mit dem Munde ein Geräusch, doch da es nicht drohend klang, kam jener immer näher.
Die Frauen und Kinder trugen immer mehr Stöckchen und Zweige für den Grauen Biber herbei. Es war augenscheinlich eine wichtige Sache. Wolfsblut kam so dicht heran, daß er das Knie des Grauen Biber berührte, so neugierig war er, so wenig dachte er daran, daß dieser eines der furchtbaren menschlichen Wesen sei. Plötzlich sah er unter den Händen des Grauen Biber aus dem Stöckchen und dem Moose etwas Sonderbares emporsteigen, das wie ein Nebel aussah. Dann erschien zwischen den Holzstückchen etwas Lebendiges, das sich wendete und drehte und eine Farbe wie die Sonne am Himmel hatte. Wolfsblut wußte nichts vom Feuer, aber, es zog ihn an, wie das Licht am Eingang der Höhle in seinen ersten Lebenstagen es getan hatte. Er kroch die wenigen Schritte bis zur Flamme hin. Er hörte über sich den Grauen Biber kichern, doch der Ton klang nicht feindselig. Dann berührte er mit der Nase die Flamme, und im selben Augenblick streckte er sein Zünglein aus.
Einen Augenblick war er wie gelähmt. Das Unbekannte, das in den Holzstückchen und im Moose gelauert hatte, zwickte ihn derb an der Nase. Er krabbelte zurück und brach in ein klägliches Geheul aus. Bei dem Ton sprang Kische knurrend, so weit der Stock es erlaubte, vorwärts und raste, weil sie ihm nicht zu Hilfe kommen konnte. Allein der Graue Biber lachte laut, schlug sich vor Vergnügen auf die Schenkel und erzählte dem ganzen Lager, was sich zugetragen hatte, bis alle laut lachten. Wolfsblut saß jedoch da und heulte kläglich
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