Wolfsblut
Er ließ ein bestürztes Kläffen hören, da hatten aber ihre Zähne ihn schon gepackt. Trotzdem sie angebunden war, konnte er nicht von ihr loskommen, denn sie warf ihn kopfüber zu Boden und bearbeitete ihn mit den Zähnen.
Als es ihm endlich gelang, aus ihrem Bereich zu entkommen, kroch er arg zerzaust und an Leib und Seele tief verletzt davon. Dann stellte er sich auf die Füße und brach in ein langgezogenes Klagegeheul aus. Aber auch dies wurde ihm nicht gestattet, denn Wolfsblut schoß wütend auf ihn los und packte ihn am Hinterbein. Aus war es da mit aller Kampfeslust des Raufbolds und schmachvoll rannte er davon, während sein Opfer ihm dicht auf den Fersen folgte und ihn auf dem ganzen Wege bis zum Wigwam seines Herrn belästigte. Hier kamen die Frauen Liplip zu Hilfe und verscheuchten Wolfsblut, der sich wie ein rasender Teufel gebärdete, durch einen Hagel von Steinen.
Endlich kam der Tag, wo der Graue Biber nicht mehr zu fürchten brauchte, daß Kische weglaufen würde, und wo er sie frei herumlaufen ließ. Wolfsblut geriet über die Freiheit der Mutter in großes Entzücken. Er begleitete sie munter im Lager umher, und Liplip hielt sich, solange er dicht neben ihr blieb, in respektvoller Entfernung, und als Wolfsblut mit gesträubtem Haar und steifen Beinen auf ihn losging, beachtete er die Herausforderung nicht. Er war ja kein Tor und konnte die Gelegenheit abwarten, wenn jener allein sein würde, um sein Mütchen an ihm zu kühlen. Später am Tage wanderten Mutter und Sohn eine Strecke in den Wald hinein, der dicht am Lager war. Schritt für Schritt lockte er die Mutter vorwärts, denn der Fluß, die Höhle, der stille Wald riefen ihn, und er wünschte, daß sie mitkäme. Blieb sie stehen, so versuchte er sie weiter zu locken, indem er ein paar Schritte voranlief, stille stand und sich umblickte. Als sie regungslos stehenblieb, winselte er flehend und rannte spielend ins Gebüsch hinein und hinaus. Darauf lief er zu ihr zurück, leckte ihr die Schnauze und rannte wieder weiter. Als sie sich immer noch nicht regte, blieb auch er stehen und schaute sie an, jeder Nerv, jede Fiber seines Wesens gespannt, als sie jedoch den Kopf umwandte und nach dem Lager zurückblickte, da ließ die Spannung bei ihm allmählich nach.
Auch die Mutter hörte, was ihn draußen im Walde rief, allein sie hörte auch den andern und lautern Ruf, die Stimme des Menschen und des Feuers, den Ruf, auf den unter allen Tieren der Wildnis der Wolf und sein Halbbruder, der wilde Hund, allein Antwort gegeben haben. Endlich kehrte Kische um und trabte langsam ins Lager zurück. Stärker als der körperliche Zwang des Stockes war die Anziehungskraft, welche das Lager für sie hatte. Unsichtbar und geheimnisvoll packten die Götter sie mit aller Gewalt an und ließen sie nicht wieder los. Da setzte sich Wolfsblut unter eine Birke und winselte leise. Es roch dort stark nach Tannen, und dieser Duft vermischte sich mit dem schwachen Geruch nach Holz, was ihn alles an das alte, freie Leben vor den Tagen der Knechtschaft erinnerte. Allein er war erst ein junges Hündchen, und stärker als die Stimme der Menschen und der Ruf der Wildnis war das Band, das ihn an die Mutter fesselte. Bis jetzt war er noch in jeder Stunde seines kurzen Lebens von ihr abhängig gewesen, und die Zeit seiner Unabhängigkeit sollte erst kommen. Darum stand er auf und trabte traurig ins Lager zurück, wobei er dann und wann anhielt, sich setzte, winselte und auf die Stimme lauschte, die immer noch aus der Tiefe des Waldes zu erschallen schien.
In der Wildnis ist die Zeit, in der die Mutter für ihre Kinder sorgt, nur kurz, aber unter der Herrschaft des Menschen wird sie noch kürzer. Dies war auch bei Wolfsblut der Fall. Der Graue Biber hatte an Drei Adler eine Schuld zu bezahlen, als dieser den Mackenzie hinauf nach dem großen Sklavensee ziehen wollte, und ein Stück rotes Tuch, ein Bärenfell, zwanzig Patronen und Kische waren erforderlich, um diese Schuld zu tilgen. Also sah Wolfsblut, wie die Mutter in Drei Adlers Boot gebracht wurde, und versuchte ihr zu folgen. Ein Schlag von Drei Adler warf ihn ans Land zurück. Das Boot wurde abgestoßen, und Wolfsblut sprang ins Wasser und schwamm hinterher, taub gegen die Stimme des Grauen Biber, der ihm befahl, zurückzukommen. Allein, so groß war Wolfsbluts Angst, die Mutter zu verlieren, daß er selbst auf den Ruf eines seiner Götter nicht hörte. Doch diese waren gewöhnt, daß man ihnen gehorche, und zornig
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