Wolfsblut
geschah viel um ihn her, was ihn interessierte, es gab viel Abwechslung, viel Seltsames, was die Menschen taten und wobei er immer neugierig zuschaute. Auch lernte er, wie er sich dem Grauen Biber gegenüber zu verhalten hätte. Strenger, unbedingter Gehorsam, das war es, was dieser von ihm verlangte, und leistete er den, so bekam er keine Schläge, und seine Gegenwart wurde geduldet. Manchmal jedoch warf ihm der Graue Biber sogar ein Stück Fleisch hin und beschützte ihn, wenn er es fraß, gegen die andern Hunde. Ein solches Stück Fleisch war mehr wert als ein ganzes Dutzend ähnlicher aus der Hand einer Indianerin. Zwar streichelte und liebkoste der Graue Biber ihn nie, dennoch knüpfte sich ein gewisses Band der Anhänglichkeit zwischen ihm und seinem mürrischen Herrn, sei es, daß dessen gewichtige Hand oder sein Sinn für Gerechtigkeit oder die bloße, ihm gehörende Macht oder all dies zusammen Wolfsblut beeinflußte.
So wurden ihm allmählich und merklich durch die Kraft des Stockes, des Steines und den Schlag der Hand die Fesseln der Knechtschaft immer enger angelegt. Die Eigenschaften seiner Gattung, die sie zum Feuer der Menschen kommen ließ, waren einer Entwicklung fähig, und so wurde auch ihm das Leben im Lager der Indianer, sosehr es oft auch voller Elend für ihn war, immer lieber. Nur, daß er sich dessen nicht bewußt war, daß er immer noch Kummer um Kisches Verlust fühlte und die Hoffnung auf ihre Wiederkehr hegte, während er eine verzehrende Sehnsucht nach dem freien Leben empfand, das er einst geführt hatte.
DRITTES KAPITEL
Der Ausgestoßene
Liplips Verfolgungen verdüsterten Wolfsbluts Leben auch fernerhin und machten ihn wilder und bösartiger, als er es von Natur gewesen wäre, so daß er sich sogar bei den Menschen eines bösen Rufes erfreute. Wo es im Lager Lärm oder Aufruhr gab, wo man sich zankte und stritt oder eine Indianerin laut über ein Stück Fleisch, das ihr gestohlen war, schalt, da konnte man sicher sein, daß Wolfsblut entweder die Ursache des Spektakels oder doch dabei beteiligt gewesen war. Man nahm sich nicht die Mühe, nach den Gründen seines Verhaltens zu forschen, man sah nur, daß er schlecht sei, daß er ein Schleicher und ein Dieb, ein Unruhestifter und Hetzer wäre, und zornige Frauen sagten es ihm ins Gesicht, während er sie unverwandt anschaute, immer vor einem Wurfgeschoß auf der Hut, daß er ein richtiger Wolf und gar nichts wert sei und daß es mit ihm einmal ein schlimmes Ende nehmen würde.
Mitten in dem dichtbevölkerten Lager war er also ein Ausgestoßener. Alle jungen Hunde folgten Liplip als ihrem Führer, weil sie den Unterschied zwischen sich selber und Wolfsblut fühlten, weil sie seine Herkunft aus dem wilden Walde witterten und die Feindschaft gegen ihn empfanden, die der Haushund gegen den Wolf hegt. Doch sei dem, wie ihm wolle, sie schlossen sich alle Liplip in der Verfolgung Wolfsbluts an, und da sie diesem einmal den Krieg erklärt hatten, so fanden sie bald guten Grund, dabei zu bleiben. Ein jeder bekam dann und wann Wolfsbluts Zähne zu fühlen, denn er gab – zu seiner Ehre sei es gesagt – mit Zinsen zurück, was er empfangen hatte. So manchen hätte er im Einzelkampf besiegen können, allein ein solcher war ihm versagt, da der Anfang dazu für alle jungen Hunde des Lagers das Signal war, herbeizulaufen und über ihn herzufallen.
Aber er lernte durch diese Verfolgungen, sich im Massenkampfe zu behaupten und dem einzelnen in kürzestem Zeitraum so viel Schaden als möglich zuzufügen. Inmitten der feindseligen Menge auf den Füßen bleiben hieß sich das Leben bewahren, und das lernte er schnell; in dieser Hinsicht war er geschmeidig wie eine Katze. Selbst ausgewachsene Hunde vermochten mit dem Gewicht ihrer schweren Körper ihn nur vorwärts oder rückwärts zu schieben, aber, geschoben oder geschleift, immer stemmte er die Beine fest auf die Mutter Erde.
Wenn die Hunde miteinander raufen, so gibt es vor dem eigentlichen Kampf erst noch Plänkeleien. Sie knurren sich an, sträuben das Haar empor, gehen mit steifen Beinen einher, doch Wolfsblut lernte, diese Vorbereitungen zum Kampf auszulassen, denn ein Zögern hieß für ihn, den Ansturm aller jungen Hunde auf sich zu ziehen. Schnell mußte er tun, was er tun wollte, und dann wegspringen. So lernte er, kein Warnungszeichen für seine Absichten zu geben. Er stürzte zu, schnappte und biß, alles im nächsten Augenblick, bevor noch der Feind sich zur Gegenwehr setzen
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