Wolfsblut
schnell eingebleut worden, und wenn es auch in direktem Widerspruch mit vielem stand, was in seiner eigenen Natur stark und heroisch war oder was ihm nicht gefiel, so lernte er es doch unwillkürlich, und er legte damit sein Geschick in ihre Hände und schob ihnen damit die Verantwortung für die Bedürfnisse seines Daseins zu. Dies war an und für sich ein Ersatz, denn es ist immer leichter, sich auf andere zu stützen, als auf eigenen Füßen zu stehen.
Dies geschah jedoch nicht alles an einem Tage, dieses Aufgeben der eigenen Persönlichkeit an die Menschen. Nicht sogleich konnte er das Erbteil der Wildnis und die Erinnerungen an das freie Leben in dieser Wildnis hingeben.
Es kamen Tage, wo er zum Rande des Waldes lief und dort auf etwas lauschte, was ihn aus der Ferne zu rufen schien, und ruhelos und unglücklich kehrte er dann zurück und drückte sich leise und sehnsüchtig winselnd an Kisches Seite oder leckte ihr eifrig und zärtlich Gesicht und Schnauze. …
Rasch lernte er die Gewohnheiten des Lagers kennen. Er begriff, wie gierig und ungerecht die älteren Hunde waren, wenn Fleisch oder Fisch ihnen hingeworfen wurde. Er erkannte, daß bei den Menschen die Männer meistens gerecht, die Kinder grausam und die Frauen gutmütig genug waren, um ihm dann und wann ein Stückchen Fleisch oder einen Knochen hinzuwerfen, und nach einigen unangenehmen Abenteuern mit den Müttern junger Hunde kam er zu dem Schlusse, daß es besser sei, diesen Müttern weit aus dem Wege zu gehen und sie zu meiden, wenn er sie kommen sah.
Aber der Fluch seines Lebens wurde Liplip. Älter, größer und stärker als Wolfsblut, hatte jener ihn zum Gegenstand seiner Verfolgungen ausersehen. Zwar balgte sich Wolfsblut nur zu gern, aber es war doch nicht schön, immer im Nachteil zu sein. Wenn er nur von seiner Mutter sich fortwagte, so erschien der andere und heftete sich ihm an die Fersen, knurrte ihn an, schnappte nach ihm, und wenn niemand in der Nähe war, so stürzte er auf ihn los und zwang ihn zum Kampfe, aus dem Liplip stets als Sieger hervorging. Das amüsierte den Hund ungeheuer, und so wurde Liplips höchstes Vergnügen Wolfsbluts höchste Qual.
Dennoch hatte diese Behandlung keine einschüchternde Wirkung auf ihn. Obgleich er stets den kürzeren zog, blieb sein Mut doch ungebeugt. Nur auf seinen Charakter blieb diese Behandlung nicht ohne schlimmen Einfluß. Sie machte ihn verdrossen und bissig. Er war von Natur mit einer guten Portion Wildheit ausgestattet, aber diese fortwährenden Verfolgungen machten ihn noch wilder. Der freundliche, spielende Zug der Jugend kam bei ihm fast gar nicht mehr zum Ausdruck. Nie spielte oder sprang er mit den andern jungen Hunden im Lager umher, denn das erlaubte Liplip nicht. Sobald er sich in ihrer Nähe zeigte, stürzte Liplip auf ihn los und raufte sich mit ihm, bis er ihn weggescheucht hatte.
Das alles trug dazu bei, seine Jugend zu verbittern und ihn im Wesen älter erscheinen zu lassen. Da der Überschuß seiner Kräfte keinen Ausweg im Spiel fand, so kehrten diese Kräfte auf sich selbst zurück und beschleunigten seine geistige Entwicklung. Er wurde schlau, denn er hatte Zeit genug, auf Ränke und Kniffe zu sinnen. Erhielt er bei der Fütterung der Hunde im Lager nicht seinen Anteil an Fleisch oder Fisch, so wurde er zum Dieb, und zu einem schlauen Diebe, der oft die Indianerinnen ärgerte. Er schlich im Lager umher, paßte pfiffig auf alles auf, was vorging, sah und hörte alles und konnte dabei auf Mittel und Wege sinnen, wie er seinem unversöhnlichen Feinde entschlüpfen könnte.
In den allerersten Tagen dieser Feindschaft spielte er seinem Verfolger einen wirklich schlauen Streich und kostete zum erstenmal die Süßigkeit der Rache. Wie Kische bei den Wölfen die Hunde aus dem Lager der Menschen hinausgelockt hatte in den Tod, so machte es Wolfsblut jetzt ähnlich, indem er Liplip bis zu den rächenden Zähnen der Mutter lockte. Scheinbar zog er sich vor Liplip zurück und floh im Zickzack um die Wigwams herum. Er war ein schneller Läufer, flinker als irgendein junger Hund seines Alters und flinker auch als Liplip. Allein diesmal tat er nicht sein Bestes, sondern blieb immer nur ein paar Schritte vor dem Verfolger, der, durch die Jagd und die beständige Nähe seines Opfers erregt, alle Vorsicht vergaß und erst auf die Umgebung achtete, als es zu spät war. Da, als Liplip in vollem Laufe um einen Wigwam bog, rannte er geradewegs auf Kische los, die am Ende ihres Stockes lag.
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