Wolfsblut
konnte, und so lernte er den Wert des unerwarteten Überfalls schätzen. War ein Hund nicht auf der Hut, so wurde ihm die Schulter aufgeschlitzt, das Ohr zerrissen, bevor er noch wußte, daß er besiegt worden war. Auch war es viel leichter, einen Hund, den man unbemerkt überfiel, umzuwerfen und der ungeschützten Stelle unten am Halse beizukommen, der Stelle, die tödlich verwundbar ist. Wolfsblut kannte diese, das war eine Kenntnis, die ihm seine Vorfahren vermacht hatten. Doch da er noch nicht ausgewachsen war, so waren seine Kinnladen nicht stark genug, um den Angriff auf den Hals zu einem tödlichen zu machen. Dennoch lief manch junger Hund im Lager mit zerbissenem Halse umher, zum Zeichen, welche Absichten Wolfsblut gehabt hatte, und als er eines Tages einen Feind allein am Saum des Waldes antraf, da glückte es ihm dadurch, daß er ihn mehrmals umwarf, die große Ader am Halse endlich durchzubeißen und ihm das Lebenslicht auszublasen. An dem Abend gab es im Lager großen Lärm. Wolfsblut war gesehen und die Kunde von seiner Missetat dem Herrn des getöteten Hundes hinterbracht worden. Die Frauen erinnerten sich dabei an all das Fleisch, das er ihnen entwendet hatte, und der Graue Biber mußte ihr ärgerliches Geschrei über sich ergehen lassen. Aber er stand unbewegt in der Tür seines Wigwams, wohin sich der Übeltäter geflüchtet hatte, und weigerte sich, ihn der Rache seiner Stammesgenossen auszuliefern.
So war Wolfsblut sowohl von den Hunden wie von den Menschen gehaßt. Keinen Augenblick war er seines Lebens sicher, denn der Zahn eines jeden Hundes, die Hand eines jeden Menschen war gegen ihn. Er wurde von seiner Gattung mit Geknurr, von den Menschen mit Flüchen und Steinen begrüßt. Er lebte in fortwährender Aufregung, immer auf einen unerwarteten Angriff, auf ein schnelles Wurfgeschoß gefaßt, immer bereit, schnell und kaltblütig zu handeln, um entweder mit blitzenden Zähnen loszustürzen oder mit drohendem Knurren wegzuspringen.
Kein Hund im ganzen Lager, ob jung oder alt, konnte fürchterlicher knurren als er; aber da das Knurren nur zur Warnung oder gar zum Abschrecken dient, so gehört Überlegung dazu, wie und wann es angewendet werden darf. Wolfsblut verkörperte in seinem Knurren alles, was es Boshaftes, Bösartiges und Schreckliches gab. Seine krause Nase zuckte fortwährend, sein Haar sträubte sich in dicken Wülsten, die Zunge spielte im Munde wie eine rote Schlange, seine Ohren legten sich platt zurück, und die hochgezogenen Lippen entblößten die Zähne, während der Geifer herabfloß. Durch solchen Anblick konnte er fast jeden Angreifer stutzig machen, und ein Augenblick, in dem er nicht auf der Hut zu sein brauchte, gab ihm Zeit zur Überlegung und zum Entschluß. Oftmals führte eine solche Pause, die sich verlängerte, ein völliges Aufgeben der Feindseligkeiten herbei, und mehr als einmal konnte er dabei selbst vor einem erwachsenen Hunde einen ehrenvollen Rückzug antreten.
Wenn aber die jungen Hunde ihn als Ausgestoßenen behandelten, so vergalt er ihnen ihre Feindschaft reichlich durch seine tödliche Angriffsweise und erstaunliche Geschicklichkeit im Kampfe. Da sie ihn nicht in ihren Reihen duldeten, so erlaubte er es auch nicht, daß einer aus der Rotte außerhalb der Reihe lief. Mit Ausnahme von Liplip fürchteten die andern seine Überfälle aus dem Hinterhalt und sahen sich gezwungen, zu gegenseitigem Schutz gegen den schrecklichen Feind, den sie sich gemacht hatten, zusammenzubleiben. Ein junger Hund allein am Ufer des Flusses war so gut wie verloren, oder er schreckte das Lager durch schrille Schmerzens- und Angstlaute auf, wenn er vor Wolfsblut floh, der ihm aufgelauert hatte.
Aber Wolfsbluts Rache hörte damit nicht auf. Zwar hatte das Rudel junger Hunde gelernt, daß sie zusammenhalten müßten, wenn sie ihn angriffen – und sein Anblick allein genügte, sie zur Verfolgung aufzustacheln –, allein, seine Schnelligkeit brachte ihn immer in Sicherheit. Doch wehe dem Hund, der bei der Jagd seinen Gefährten vorauslief! Wolfsbluts Methode war es, sich nach dem Verfolger, der voran war, umzukehren und ihn gründlich zu bearbeiten, bevor noch die übrigen herankommen konnten. Dies geschah häufig, denn in der Erregung der Jagd waren die Hunde, wenn sie in vollem Lauf waren, nur zu geneigt, sich zu vergessen, was Wolfsblut nie tat.
Da junge Hunde immer zum Spiel aufgelegt sind, so machten sie notgedrungen aus diesem Kriege im kleinen ein Spiel. So kam es, daß
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