Wolfsblut
die Jagd auf Wolfsblut ihr hauptsächlichster Zeitvertreib wurde, der manchmal einen tödlichen Ausgang für einen von ihnen nahm. Denn Wolfsblut, der flinker zu Fuß war als sie, fürchtete nicht, sich überallhin zu wagen. Oft führte er das Rudel auf wilder Jagd durch die angrenzenden Wälder, aber immer verloren die Hunde ihn dabei aus den Augen, und der Lärm, den sie machten, warnte ihn, während er auf Sammetpfoten, wie einst sein Vater und seine Mutter, einem Schatten gleich, still unter den Bäumen dahinglitt. Auch stand er dem wilden Leben im Walde näher als sie und kannte mehr von dessen Geheimnissen und Listen. So war es ein beliebter Kunstgriff von ihm, seine Spur im fließenden Wasser verschwinden zu lassen und ruhig im Dickicht zu liegen, während das Rudel verblüfft ein lautes Gekläff um ihn herum erhob.
So von seiner Gattung und von den Menschen gehaßt, ungezähmt, fortwährend verfolgt und selber fortwährend Krieg führend, ging es mit seiner Entwicklung rasch vorwärts. Doch war diese einseitig. Da gab es keinen Boden, auf dem freundliche Gefühle, wie Liebe und Zuneigung, erblühen konnten; von solchen hatte er keine Ahnung. Was er gelernt hatte, war, dem Starken zu gehorchen und den Schwachen zu bedrücken. Der Graue Biber war sein Gott und war stark, und darum gehorchte er ihm, aber kleinere, schwächere Hunde, die konnte er vernichten. So strebte seine Entwicklung auf Stärke und Macht hinaus. Um der beständigen Gefahr, verletzt oder gar getötet zu werden, zu entgehen, wurde er flinker, behender, schlauer und blutdürstiger als seine Kameraden. Seine Sehnen und Muskeln waren dünn und geschmeidig wie Stahl, und er war ausdauernd, grausam und klug. Alle diese Eigenschaften mußte er besitzen, denn sonst hätte er sich in der feindseligen Umgebung, in der er aufwuchs, keinesfalls behaupten können.
VIERTES KAPITEL
Die Fahrt der Götter
Als die Tage im Herbst immer kürzer wurden und häufige Fröste die Luft abkühlten, machte Wolfsblut einen Versuch, seine Freiheit wiederzuerlangen. Seit einigen Tagen herrschte im Dorfe großes Leben und Treiben. Das Sommerlager wurde abgebrochen, und der Stamm schickte sich an, mit Sack und Pack nach den herbstlichen Jagdgründen abzuziehen. Wolfsblut beobachtete alles mit aufmerksamem Auge, und als die Wigwams sich senkten und die Boote am Ufer beladen wurden, da verstand er, was das bedeutete. Schon fuhren einige Boote stromabwärts und waren bald dem Auge entschwunden.
Er beschloß mit voller Überlegung zurückzubleiben. Er wartete auf eine günstige Gelegenheit, um aus dem Lager und in den Wald zu schleichen. Hier angekommen, verbarg er im Wasser, das schon zu gefrieren begann, seine Spur, kroch dann ins Dickicht und wartete. Die Zeit verging, dann und wann schlief er ein paar Stunden, endlich weckte ihn die Stimme des Grauen Biber, der seinen Namen rief. Auch andere Stimmen wurden laut; er unterschied die der Frau des Grauen Biber und die Mitsahs, des Sohnes des Grauen Biber, die ebenfalls an der Suche teilnahmen.
Wolfsblut zitterte teils vor Angst, teils vor Verlangen, das Versteck zu verlassen, aber er widerstand diesem Verlangen. Nach einer Weile wurden die Stimmen schwächer, und er kroch ins Freie, um den Erfolg seiner Tat zu genießen. Die Dunkelheit brach herein, und eine Zeitlang spielte er unter den Bäumen umher und freute sich der wiedergewonnenen Freiheit. Dann wurde ihm plötzlich seine Einsamkeit klar. Er setzte sich nieder, um nachzudenken, er lauschte auf das Schweigen im Walde, das ihm drückend erschien. Es war so unheimlich, daß sich nichts bewegte, daß kein Ton laut wurde. Er fühlte, wie etwas Furchtbares unsichtbar um ihn lauerte. Er ängstigte sich vor den hohen Bäumen, vor den dunklen Schatten, hinter denen allerlei Gefahren sich verstecken konnten.
Auch fing es an kalt zu werden. Hier war nicht die warme Wand eines Wigwams, an die er sich schmiegen konnte. Die Füße froren ihm, und er hob bald den einen, bald den andern Vorderfuß empor, um ihn zu erwärmen, und deckte den buschigen Schwanz darüber. Zugleich zogen vor seinem inneren Auge die Bilder der Erinnerung vorüber. Er sah wieder das Lager, die Zelte, den Schein der Feuer. Er hörte die hohen, schrillen Stimmen der Weiber, die Baßtöne der Männer, das Knurren der Hunde. Ihn hungerte, und ihm fielen die Stücke Fleisch und Fisch ein, die ihm hingeworfen worden waren. Hier gab es nichts zu essen, nichts als drohendes Schweigen, das nicht satt
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