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Wolfsblut

Wolfsblut

Titel: Wolfsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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machte.
    Die Knechtschaft hatte ihn verweichlicht, die Fürsorge anderer ihn schwach gemacht. Die Nacht ringsum gähnte ihn an. Seine an den Lärm und Tumult des Lagers, an fortwährende Eindrücke auf Seh- und Hörnerven gewöhnten Sinne waren müßig. Hier war nichts zu sehen, nichts zu hören oder zu tun. Er strengte sich an, einen Laut in der Stille zu vernehmen, einen Gegenstand in der Dunkelheit zu unterscheiden. Die Untätigkeit ängstigte ihn, das Gefühl, daß etwas Furchtbares ihm bevorstünde. Er fuhr vor einem unförmigen Ding, das sein Auge traf, entsetzt zurück, doch war es nur der Schatten eines Baumes-, als der Mond aus den Wolken hervortrat. Als er sich beruhigt hatte, winselte er leise, aber er unterdrückte sogleich diesen Laut, aus Furcht, die Aufmerksamkeit der um ihn lauernden Gefahren, auf sich zu ziehen.
    Ein Baum, dessen Holz sich in der kalten Nacht zusammenzog, knarrte laut. Es war dicht über ihm, und er schrie vor Angst auf. Es ergriff ihn Entsetzen, und er rannte wie toll nach dem Dorfe hin. Er hatte ein überwältigendes Verlangen nach dem Schutz und der Gesellschaft der Menschen. Er glaubte den Rauch der Lagerfeuer zu riechen, das Geschrei und die Rufe im Lager zu vernehmen. Er lief aus dem Walde und auf die vom Mondlicht beschienene Fläche zu, wo es keine Schatten, keine Dunkelheit gab. Allein, kein Dorf begrüßte sein Auge; er hatte vergessen, daß es fort war.
    Er hielt in seinem tollen Lauf inne. Wohin sollte er auch fliehen? Er schlich verlassen über den öden Lagerplatz, beschnupperte die Kehrichthaufen und weggeworfenen Lumpen seiner Götter. Er würde über einen Steinhagel, womit eine ärgerliche Indianerin ihn begrüßt hätte, erfreut gewesen sein, er wäre froh gewesen, wenn der Graue Biber ihn zornig geprügelt hätte, und mit Entzücken würde er Liplip und das ganze kläffende, feige Rudel begrüßt haben.
    Er kam zu der Stelle, wo der Wigwam des Grauen Biber gestanden hatte.
    Mitten auf dem Platze setzte er sich nieder und hob den Kopf zum Monde empor. Es zuckte krampfhaft in seiner Kehle, er öffnete den Mund, und in herzbrechendem Geheul stieg seine Verlassenheit, seine Furcht, seine Sehnsucht nach Kische, ja all der Jammer und das Elend der Vergangenheit und die Angst vor der Zukunft in langgezogenen, lauten, traurigen Tönen empor, dem ersten Wolfsgeheul, das er ausstieß.
    Das Licht des anbrechenden Tages verjagte seine Furcht, zeigte aber seine Verlassenheit noch deutlicher. Die kahle Erde, die noch vor kurzem so dicht bevölkert gewesen war, führte sie ihm noch mehr zu Herzen. Doch nun schwankte er nicht lange in dem, was er zu tun habe. Er rannte durch den Wald und am Flußufer stromabwärts. Er lief den ganzen Tag, ohne auszuruhen, als wollte er immer laufen. Sein eiserner Körper kannte keine Ermüdung, und selbst als diese kam, machte seine ererbte Ausdauer ihn zu endloser Anstrengung fähig, die den schmerzenden Körper rastlos vorwärts trieb.
    Wo der Fluß sich um steile Ufer krümmte, erkletterte er die Anhöhen, wo Bäche und Nebenflüsse in den Hauptstrom mündeten, schwamm er hinüber oder durchwatete sie. Oft lief er auf dem Eis am Rande, und mehr als einmal brach er ein und kämpfte in der eiskalten Flut um sein Leben. Immer schaute er nach der Spur seiner Götter aus, wenn er den Strom verlassen hatte und landeinwärts biegen mußte.
    Zwar war er klüger als der Durchschnitt seiner Gattung, doch sein geistiges Auge schaute nicht weit genug, um an das andere Ufer des Mackenzie zu denken. Wie, wenn die Fährte der Götter auf jener Seite lief? Das fiel ihm nicht ein. Später, als er auf seinen Fahrten mehr Flüsse kennengelernt, hätte er eine solche Möglichkeit begriffen, aber im Augenblick rannte er blindlings vorwärts, da ihm nur dies Ufer des Mackenzie in den Sinn kam.
    Er lief die ganze Nacht hindurch, stolperte über Hindernisse, die ihn zwar aufhalten, doch nicht, abschrecken konnten. In der Mitte des zweiten Tages war er dreißig Stunden lang gelaufen, und selbst seine eisernen Muskeln gaben nach. Nur seine Ausdauer und sein Mut trieben ihn weiter. Er hatte seit vierzig Stunden nicht gefressen, und der Hunger machte ihn schwach; auch war das wiederholte Untertauchen in dem kalten Wasser nicht ohne Wirkung auf ihn geblieben. Sein glattes Fell war besudelt, und die breiten Sohlen seiner Füße waren zerrissen und wund. Er hatte zu hinken angefangen, was von Stunde zu Stunde zunahm. Das schlimmste aber war, daß das Tageslicht dunkel

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