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Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Oehlschläger
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umgekommen ist?«
    »Nein. Ihre Zweifel sind berechtigt.« Frau
Dr. Grote erhob sich ebenfalls. »Um von einer Wasserleiche zu reden, ist
es viel zu früh. Sicher ist wohl nur, dass sie längere Zeit im Wasser gelegen
hat. Das belegen die Waschhaut und der Wasseraustritt aus der Nase. Ob sie
schon vorher tot war, wird die Obduktion zeigen.«
    »Wasserleiche? Wie kommt ihr denn darauf?«
Heiko Strunz, der Leiter des Spurensicherungsteams, war an der Sichtblende
aufgetaucht und hatte die letzten Worte mitbekommen. Er runzelte die Stirn.
»Das nächste größere Gewässer liegt schon ein Stück entfernt. Die Fischteiche
in der Nähe des Heideguts kämen in Betracht – und etwas weiter weg
natürlich die unzähligen Aschauteiche. Als kleinere Fließgewässer in der Nähe
fallen mir Quarmbach, Sunderbach und Aschau ein.«
    »Um zu ertrinken, reicht doch schon die
Badewanne«, warf Frau Dr. Grote mit leisem Tadel ein. »Oder eine gut
gefüllte Pfütze am Wegesrand. Das sollten Sie als erfahrener Ermittler der
Mordkommission eigentlich wissen.«
    Mit einem freundlichen Augenzwinkern kam
Mendelski seinem Kollegen zu Hilfe: »Kollege Strunz wollte uns, glaube ich,
lediglich kundtun, dass er sich als erfahrener Pilzesammler in dieser Gegend
bestens auskennt. Stimmt’s, Heiko?«
    Der grummelte etwas Unverständliches in
seinen Ziegenbart.
    »Dann erscheinen auch die Flecken im
Gesicht und an den Händen in einem anderen Licht.« Frau Dr. Grote hatte
den Zeigefinger erhoben, um sich der Aufmerksamkeit der beiden Ermittler gewiss
zu sein. »Wasserleichen – belassen wir es erst einmal bei diesem
Terminus – weisen häufig Treibverletzungen oder Bergungsverletzungen auf.
Postmortale Verletzungen, versteht sich.«
    Mendelski und Strunz nickten synchron.
    Frau Dr. Grote holte Luft, bevor sie
weiterdozierte: »Normalerweise geht eine Leiche im Wasser unter und sinkt bis
auf den Grund. Durch die gashaltigen Darmschlingen einerseits sowie die
schweren Extremitäten Arme, Beine und Kopf andererseits dreht sich die Leiche
im Wasser auf den Bauch. Treibverletzungen entstehen nun, wenn es sich bei dem
Medium um ein bewegtes Gewässer handelt, zum Beispiel ein Fluss oder ein Meer
mit Gezeiten oder anderen Strömungen. Die Leiche treibt kopfüber und hat
Grundkontakt. Gesicht, Handrücken, Knie und Fußspitzen können dabei
Verletzungen davontragen. Unser totes Mädchen weist solche Verletzungen im
Gesicht und an den Händen auf. Die Knie waren durch die Hose, die Füße durch
die Schuhe geschützt.«
    »Klingt plausibel«, sagte Mendelski in
eine weitere Atempause der Ärztin. »An Hose und Schuhen wird eventuell das
Labor fündig.«
    Frau Dr. Grote wiegte den Kopf.
»Eventuell«, erwiderte sie. Dann fuhr sie fort: »Bergungsverletzungen
entstehen, wie der Name schon sagt, wenn Wasserleichen geborgen werden. Dies
geschieht häufig unter Zuhilfenahme von Stangen oder Seilen, womit sie an Land
oder in ein Boot gezogen werden. Oft werden Wasserleichen auch in
Auffanggittern, Gewässerdurchlässen oder dergleichen gefunden, wo es ebenfalls
zu postmortalen Verletzungen gekommen sein könnte. Ich tippe in unserem Fall
aber eher auf die Treibverletzungen.«
    »Also kommen eher Quarmbach oder Aschau in
Frage als die Fischteiche«, bemerkte Strunz.
    »Genau.« Frau Dr. Grote grinste gekünstelt
und streifte die Einweghandschuhe ab. »Oder gibt es außer Aschau und Quarmbach
noch andere Fließgewässer hier in der Nähe?«
    »Ich sagte ja: der Sunderbach, weiter weg
dann die Örtze und noch weiter weg natürlich die Aller.«
    »So weit weg nun auch wieder nicht.« Frau
Dr. Grote seufzte.
    »Das Wasser hier wird uns Klarheit
bringen«, schloss Mendelski und schwenkte die Plastiktüte mit der Probe. »Das
Labor wird uns schon sagen, in welchem Gewässer das Mädchen gelegen hat.«
    »Na denn …« Die Pathologin suchte ihre
Utensilien zusammen. »Den Rest mache ich im Obduktionssaal. Möglichst heute
noch. Das Aufweichen der schützenden Oberhaut beschleunigt den
Verwesungsprozess bei Wasserleichen deutlich. Also beeilen Sie sich bitte.
Schönen Tag noch.«
    »Für eine Wasserleiche würde sprechen,
dass wir hier nirgends Kampfspuren oder dergleichen finden konnten«, sagte
Strunz, nachdem Frau Dr. Grote gegangen war. »Es gibt keine
Auffälligkeiten in der näheren Umgebung des Fundortes, abgesehen von den
zahllosen Fuß-, Hunde- und Reifenspuren. Von den Jägern, ihren Fahrzeugen und
ihren Vierbeinern, nehme ich an.«
    »Ja.«

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