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Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Oehlschläger
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Mendelski seufzte. »Tut mir leid,
aber ich kam einen Hauch zu spät, um alles vorschriftsmäßig abzusperren.«
    »Mann, wir können ja froh sein, dass du
zufällig vor Ort warst. Wer weiß, wie das hier sonst ausgesehen hätte.
Jedenfalls nehmen wir so viele Gipsabdrücke wie möglich.«
    »Klar. Vielleicht haben wir Glück. Die
Tote muss irgendwie hierher gebracht worden sein, wahrscheinlich mit einem
Fahrzeug.«
    »Du nimmst also auch an, dass sie nicht
hier gestorben ist.« Während er sprach, hantierte Strunz mit einem
Diktiergerät.
    »Bei der Sachlage? Es spricht nichts
dafür.« Mendelski wandte sich wieder der Leiche zu. »Unfall, Totschlag oder gar
Mord?«, stellte er die Gretchenfrage und beantwortete sie auch gleich selbst:
»Noch ist alles drin.«
    »So wie meistens.« Strunz griente, wurde
aber rasch wieder ernst. »Dann wollen wir mal …«
    »Moment noch.« Mendelski hielt Strunz am
Arm zurück. »Wir sollten sämtliche Fichtenzweige des Streckenplatzes ins Labor
schaffen. Wer die Leiche hier abgelegt und so schön hergerichtet hat, hat
bestimmt unfreiwillig Fussel, Haare oder sonstige Andenken zurückgelassen.
Vielleicht finden wir ja die berühmte Nadel im Heuhaufen.«
    »Wird gemacht. Aber vorher sollte Jo noch
ein paar Fotos schießen.« Strunz rief Kleinschmidt herbei, der gerade dabei
war, zusammen mit Ellen Vogelsang Gipsabdrücke zu nehmen. »Die Abdrücke können
warten«, erklärte er, als der jüngere Kollege bei ihnen eintraf. »Die Leiche
hat jetzt Vorrang.«
    Die nähere Begutachtung und Durchsuchung
des Mädchens brachte keine neuen Erkenntnisse – bis auf eine Kleinigkeit.
Die Kleidung war ohne besondere Merkmale, die Hosentaschen der Jeans waren
allesamt leer, die Tote trug keine Armbanduhr, keine Ringe am Finger. Die
Ohrläppchen wiesen Löcher auf, waren aber zurzeit ohne Schmuck. Als Strunz
jedoch im Halsbereich das enge Bündchen des T-Shirts lüftete, kam ein feines
Band zum Vorschein.
    »Ein Lederhalsband …«, murmelte er,
während er vorsichtig daran zog. »Mit einem kleinen Anhänger.«
    »Was ist denn das?« Mendelski beugte sich
hinunter, um besser sehen zu können. Er starrte auf das winzige weiße Gebilde
in Form eines auf dem Kopf stehenden Ypsilon, das mit einem filigranen Knoten
an dem Lederband befestigt war.
    »Ein gebleichtes Knöchelchen, nehme ich
an.« Strunz schien sich sicher. »Ja, sieht aus wie ein kleiner Vogelknochen.
Wie man sie von gebratenen Hähnchen kennt, nur deutlich kleiner. Könnte von
einem Singvogel stammen.«
    »Soweit ich weiß«, fügte Mendelski hinzu,
»wird derlei bei einigen Naturvölkern als Talisman benutzt. Auch bei denen aus
der Karibik. Ich denke da an Voodoo und so was. – Tja. Das gute Stück hat
das Unglück nicht von ihr abwenden können.«
    »Hier, schau mal.« Strunz deutete auf das
rechte untere Ende des Knöchelchens.
    »Was denn?«
    »Hier scheint ein kleines Stück zu fehlen.
Der Knochen ist asymmetrisch. Sieht aus, als ob da kürzlich etwas von dem
Amulett abgebrochen ist. Ein circa einen Zentimeter langes Stückchen.«
    »Na denn.« Mendelski erhob sich. »Zusammen
mit den Hämatomen wird vielleicht noch ein Schuh draus – oder eine
Kampfspur.«
    »Kreinbrink, Konrad und Kai«,
las Maike Schnur aus ihrem Notizblock vor. »Vater und Sohn. Waren beide zur
Jagd hier, wie du.«
    »Und?« Mendelski zog die Augenbrauen hoch.
Freundlich, aber bestimmt.
    »Entschuldigung bitte«, hörten sie da eine
tiefe Stimme hinter sich sagen. »Dürfen wir mal durch?« Sie traten zur Seite,
um die beiden schwarz gekleideten Männer mit dem Zinksarg durchzulassen.
    »Die beiden haben das Mädchen vorläufig
identifiziert«, erwiderte Maike. »Anhand eines Handyfotos von mir.«
    Mendelski nickte.
    »Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit
nach um Yadira Martinéz. Achtzehn Jahre alt, aus der Dominikanischen Republik.
Sie war seit einem Dreivierteljahr in Deutschland. Zunächst als Au-pair-Mädchen
in Eldingen, hat dort aber abgebrochen, um sich dann den Kreinbrinks
anzuschließen.« Während sie sprach, schob Maike Schnur die Kapuze ihres
Overalls in den Nacken. Es hatte aufgehört zu regnen, leichter Wind kam auf. In
den Baumkronen der Kiefern rauschte und knackte es. »Sie wohnte seit vier
Monaten bei den Kreinbrinks in Eschede«, fuhr sie fort, »bei Vater Konrad, Sohn
Kai und Tochter Kathrin. Die Mutter, Frau Kreinbrink, ist vor fünf Jahren
gestorben. Da ist aber noch eine Haushälterin, die mit im Haus wohnt.«
    »So ein

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