Wolfsfeuer (German Edition)
Ruhe, und Julian setzte sich wieder. »Ist es wegen der ersten Tötung?«
Der alte Mann zuckte mit den Schultern. »Es gefällt mir nicht, jemandem das Leben nehmen zu müssen, um selbst unsterblich zu werden.« Als Ella sich vorbeugte, um etwas einzuwenden, hob er eine Hand. » Aber ich glaube auch, dass es Menschen gibt, die vom Antlitz dieser Erde getilgt werden sollten. Ich bin nur nicht sicher, ob wir zu entscheiden haben, wer in diese Kategorie fällt.«
»Das tun wir auch nicht«, berichtigte Julian ihn. » Ich tue das.«
Jorund lächelte stumm.
Julians Augen wurden schmal. »Was ist da noch?«
»Es ist nicht so, dass ich nicht auf ewig mit ihr zusammen sein möchte.« Jorund richtete den Blick auf Ella, und seine Augen spiegelten seine tiefe Zuneigung wider. »Aber ich kann mein Volk jetzt nicht im Stich lassen.«
»Wegen des Killerwolfs?«, fragte er, und Jorund nickte.
»Julian wird sich darum kümmern«, versicherte Ella ihm.
»Ich habe versprochen, meine Leute zu beschützen«, sagte der alte Mann. »Wie sähe es wohl aus, wenn ich plötzlich zu der Kreatur würde, die Jagd auf sie macht?«
Ella stand auf, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und gab einen sehr französischen, kehligen Frustlaut von sich. »Aber du wärst nicht diese Kreatur. Du wärst weiter du selbst. Du würdest als Mensch niemals jemandem etwas zuleide tun, darum würdest du es auch als Wolf nicht.«
»Das sagst du.«
»Wenn du gestorben bist«, wisperte Ella, »ist es zu spät.«
Der Inuit ging nicht darauf ein. »Ich kann mir erst sicher sein, wenn mein Volk außer Gefahr ist.«
»Nun gut«, entgegnete Julian. »Nun gut.«
Julian ließ den Gashebel des Schneemobils los und brachte es im Leerlauf vor Ellas Haus zum Stehen. Alex stieg sofort ab.
Sie hatten die ganze Rückfahrt geschwiegen. Er wusste nicht, wie es ihr erging, aber er hatte unentwegt gegen die körperliche Reaktion angekämpft, die ihre Nähe immer bei ihm auslöste. Sie brauchte ihn nur zu berühren, sogar unabsichtlich, und er war geliefert.
Alex rubbelte die Hände an ihrer Hose, als wollte sie das Prickeln in ihren Handflächen vertreiben. Julian kannte das Gefühl.
Er deutete mit dem Kinn zu dem dunklen, stillen Haus. »Kommst du zurecht?«
»Wieso fragst du? Glaubst du, es war Ella, die versucht hat, mich zu töten?«
»Nein.« Barlow runzelte die Stirn. »Tust du es?«
Alex breitete die Hände aus. »Irgendjemand hat es versucht. Im Moment bist du der Einzige, der nicht infrage kommt.«
»Und George.«
»Und George«, räumte sie ein.
»Wenn Ella deinen Tod wollte«, fuhr Julian fort, »hätte sie dich im Schlaf ermorden können.«
»Das wäre ein bisschen zu offensichtlich.«
»Ich bezweifle, dass irgendjemand nach Vergeltung geschrien hätte, sobald sie den anderen gesagt hätte, wer du wirklich bist. Wenn sie deinen Tod wollte, müsste sie nichts weiter tun, als ihnen die Wahrheit zu sagen, dann könnte sie sich zurücklehnen und zusehen.«
»Dann war es wohl doch nicht Ella.« Alex lächelte. »Darüber bin ich froh.«
»Irgendjemand hat versucht, dich zu töten, Alex.«
Sie zuckte mit den Achseln. »Daran bin ich gewöhnt.«
Ihre lässige Einstellung gegenüber der Situation machte Julian nervös und besorgt. Er wollte bleiben und sie beschützen. Gleichzeitig wusste er, was dann passieren würde.
»Niemand sollte deinen Tod wollen.«
»Tust du es etwa nicht?«, fragte sie, bevor sie die Treppe hinauflief und im Haus verschwand.
Julian starrte ihr nach, während er zu rekapitulieren versuchte, seit wann seine Antwort darauf nein lautete.
Er parkte den Motorschlitten hinter Ellas Haus, deckte ihn mit einer Plane ab und begab sich auf die Suche nach seinem Bruder.
Der Morgen dämmerte nun zügig. Cade würde entweder im Labor bei der Arbeit sein oder …
Julian runzelte die Stirn und starrte ins graue Zwielicht. Irgendwo dort draußen, so wie die anderen.
Er musste sich eingestehen, dass jeder seiner Leute diese Schüsse auf Alex abgegeben haben könnte. Aber was war das Motiv? Die Einzigen, die wussten, wer sie in Wahrheit war, was sie getan hatte, waren Julian und Ella. Und inzwischen wohl auch Jorund.
Sie waren bereits zu dem Schluss gelangt, dass Ella keine Veranlassung gehabt hätte, auf Alex zu schießen. Es gab einfachere, weniger riskante Möglichkeiten, sie loszuwerden.
Abgesehen davon sah Ella Alex in der Rolle des Opfers. Viel eher würde sie eine Kugel auf Julian abfeuern.
Jorund konnte es nicht gewesen
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