Wolfsfieber
dazu
mit beiden Händen von der Fahrbahn abstützen. Danach ein
letztes Heulen, ehe er in dem pechschwarzen, verregneten
Wald verschwand.
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Als es mir bewusst wurde, war er weg. Er hatte mich ge-
hen lassen. Es war tatsächlich passiert. Da überfiel mich der
Schmerz. Und jetzt wusste auch ich, eine Menschenfrau, wieso
die Wölfe so schaurig heulen. Denn in diesem Moment schrie
ich. So laut ich konnte, stieß ich einen Schrei in den regenver-
hangenen Himmel. Einen Schrei, der mir den Schmerz aus
dem Körper reißen sollte. Aber es half nicht. Dieser Schmerz
würde nicht weggehen, dieser Schmerz würde bleiben, so lan-
ge, bis ich mein Leben aushauchen würde oder bis ich in Ist-
vans Arme zurückkehren konnte, als die Frau an seiner Seite.
Doch in dieser Nacht würde nichts von alledem gesche-
hen. In dieser Nacht fuhr ich nur immer weiter und weiter
weg von ihm, weg von mir selbst. Bis ich, kurz vor Tagesan-
bruch, auf einem Feld in der Umgebung von Wien anhielt.
Ich konnte keinen Kilometer mehr fahren, ohne einzuschla-
fen. Ich musste aussteigen, wollte nicht länger in diesem ver-
dammten Fluchtauto sein. Ich fuhr so nahe ich konnte an den
Fahrbahnrand und setzte mich gramgebeugt auf die Motor-
haube, kaum noch ein Mensch, kaum noch eine Frau.
Der Schattenmensch, der ich nun war, musste sich etwas
die Beine vertreten, ehe er seine Flucht fortsetzen konnte.
So ging ich ein paar Meter neben dem Feld her, noch
immer der dunkle Morgen um mich herum. Jetzt erst, durch
die kalte Luft in meinem Gesicht, bemerkte ich, dass meine
Tränen versiegt waren. Es war eine rein körperliche Mangel-
erscheinung, denn mein Inneres, meine Seele, hatten nie da-
mit aufgehört. Lediglich meinem Körper war die Flüssigkeit,
Tränen zu bilden, ausgegangen. Dieser Gedanke ließ mich
nicht los, genauso wenig wie das Gesicht Istvans, als er mich
anflehte, nicht zu gehen.
Wie aus dem Nichts kamen mir die Bilder der letzten
Nacht in verdrehter Reihenfolge ins Gedächtnis und ver-
mischten sich mit Bildern aus meinem Traum, der diese
ganze Wahnsinnstat ausgelöst hatte:
Eine Frau, die keine Tränen mehr hat. Eine Frau, die mit
ihrem Schrei den Himmel zerreißt. Eine Frau, die gebrochen
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an einem Feld steht. Eine Frau, die im Regen und in ihrem
eigenen Schmerz ertrinkt. Eine Frau, die den Himmel dazu
bringt, an ihrer statt zu weinen.
Die Erkenntnis traf mich wie ein Blitzschlag. Jetzt war al-
les so klar. Wie ein Gewitter manchmal reinigend sein kann.
Ich war diese Frau, ich war es immer schon gewesen. Istvans
Gedicht, das sich mir ins Gedächtnis gebrannt hatte, das
mich in meinen Träumen ständig verfolgte, war Wirklichkeit
geworden. Auch wenn ich diese Worte seit Monaten weder
gelesen noch gehört hatte, formten meine Gedanken die Zei-
len lückenlos und fehlerlos zusammen:
Des Nachts ward sie oft gesehen,
dort bei dem Haine stehen,
doch ward nicht eine Träne
aus ihrem Aug geflossen,
und dennoch schaut ihr Blick
von Traurigkeit so schwer,
da weinte der Himmel
an ihrer statt, so sehr,
dass sieben Nächte fort
das Wasser ward gegossen,
dass tote Flüsse gar flossen!
Die Frau in Istvans Gedicht, die traurige Frau in meinen
Träumen – das war immer ich. Und der Mann, der in meinen
Augen gebrannt hatte, war er. Es war also unausweichlich.
Ich musste diesen Weg gehen, wir mussten beide diesen
Weg voneinander weg einschlagen in der Hoffnung, dass er
uns am Ende wieder zusammenführen würde. Ich, die ich
nie an Schicksal geglaubt hatte, vertraute mich jetzt ganz
diesem Gefühl an, das mir sagte, dass es noch nicht vorbei
war. Ich glaubte noch immer an ihn, an uns. Ich musste nur
einen Weg zurück zu ihm finden. Doch dieser Weg lag jetzt
noch im Dunkeln. Aber ich hatte das Licht der Hoffnung,
das mich lenkte, auf meiner Seite.
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ENDE TEIL 1
Die Autorin
Ruth Adelmann, geboren 1983, lebt
derzeit im Burgenland und in Wien.
Seit dem Abschluss ihres Publizistik-
Studiums an der Universität Wien
arbeitet sie als freie Zeitungsredak-
teurin und als Marketingassistentin.
Mit „Wolfsfieber“ erscheint der
Debütroman der jungen Autorin.
VERLAG FÜR NEUAUTOREN
Der Verlag
Der im österreichischen Neckenmarkt behei matete,
einzigartige und mehrfach prämierte Verlag konzent-
riert sich speziell auf die Gruppe der Erstautoren.
Die Bücher bilden ein breites Spektrum der aktuel en
Literaturszene ab und werden in den Ländern Deutsch-
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